Kommentar zum Numerus Clausus : Humanes Studium
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Die Zulassung zum Medizinstudium muss in Teilen neu geregelt werden. Bild: Frank Röth
Das Urteil der Verfassungsrichter verwirft nicht die bisherigen Auswahlverfahren für Medizinstudenten. Auch in Zukunft müssen Abiturnoten eine wichtige Rolle spielen.
Die Zulassung zum Medizinstudium muss in Teilen neu geregelt werden, weil das bisherige Verfahren ungerecht ist. Das bedeutet nicht, dass das Verfassungsgericht das bisherige Auswahlverfahren in Bausch und Bogen verworfen hätte. Im Gegenteil, die Abiturnote wird auch künftig eine wichtige Rolle für alle die spielen, die Arzt oder Ärztin werden wollen. Das ist richtig. Denn schnelle Auffassungsgabe und hohe Lernbereitschaft sind essentiell für das Bestehen des Studiums. An dessen Ende sollen vor allem fähige Mediziner stehen. Es ist aber umso besser, wenn sie gute social and soft skills mitbringen, wie Empathie oder gute Kommunikationsfähigkeit.
Die Erweiterung der Auswahlverfahren an den Universitäten um ein „anderes eignungsrelevantes Kriterium“ ist richtig. Ganz neu ist das jedoch auch nicht. Schon heute verfolgen Hochschulen, die sechs von zehn Bewerbern selbst aussuchen, aufwändige Auswahlverfahren. Diese Freiheit wird jetzt eingeschränkt. Künftig muss der Gesetzgeber die Auswahlkriterien vorgeben und für standardisierte Prüfungen sorgen. Es bedarf nicht viel Phantasie sich vorzustellen, dass bei einer Nachfrage von fünf Bewerbern auf einen Studienplatz auch jene, nun neu zu suchenden Kriterien bald schon beklagt werden – von ebenden abgelehnten Studenten, die auch an 2020 keinen Medizinstudienplatz bekommen werden. Denn das Verfassungsgericht hat sich nicht mit der ausreichenden Zahl der Studienplätze, sondern mit dem gerechten Zugang dazu befasst. Der Medizinstudienplatz bleibt auch künftig ein knappes Gut.
Die Ärzteschaft will das Urteil als Vorlage dafür nutzen, der Politik angesichts der nun fälligen Studienreform gleich ein paar Hundert neue Ausbildungsplätze aus den Rippen zu leiern. Bisher haben sich die meisten Länder, die Hörsaalplätze, Labore und Professorenstellen bezahlen müssen, dagegen verständlicherweise verwahrt. Denn die Zahl der Ärzte in Deutschland ist in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. Das gilt auch für jene, die nach dem Studium nicht in die Versorgung gehen, sondern in Industrie- und Universitäten forschen oder bei Kassen und Ärzteverbänden das System steuern. Bevor also mit Blick auf die angeblich gefährdete Patientenversorgung neue, teure Studienplätze aus dem Boden gestampft werden, sollte es zunächst darum gehen, die Arbeit in der Niederlassung oder in der Klinik attraktiver zu machen. Oft genug steht dabei nicht das Geld im Vordergrund, sondern weiche Faktoren, wie Arbeitszeiten, weniger Bürokratie und Gängelung.