
Kommentar zum EU-Austritt : Das Brexit-Feigenblatt
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Lastwagen stehen auf dem Manston International Airport bei einem Brexit-Test. Bild: dpa
Die britische Regierung erwägt aus Angst vor Versorgungsengpässen Zollprüfungen auszusetzen. Das kann nicht funktionieren.
Großbritannien werde durch den EU-Austritt die Kontrolle über seine Staatsgrenze zurückgewinnen – so lautete vor dem britischen Volksentscheid im Sommer 2016 der Wahlkampfslogan der Brexit-Bewegung.
Aber jetzt droht genau das Gegenteil: Die britischen Behörden kündigen an, im Ernstfall eines ungeordneten EU-Austritts auf eine reguläre Zollprüfung von Importwaren vorübergehend zu verzichten. Tatsächlich ist die angekündigte „Vereinfachung“ wohl nur ein Feigenblatt. Fachleute sagen, ein Zollchaos könne nur dann verhindert werden, wenn die Abfertigung nicht nur vereinfacht, sondern bis auf weiteres ganz aufgegeben werde. Für Schmuggler und sonstige Wirtschaftskriminelle würden damit Träume wahr.
Doch selbst wenn sich die britische Regierung aus Furcht vor Versorgungsengpässen in Supermärkten und Fabriken zu einer solchen Verzweiflungstat entschließen sollte: Einseitige Maßnahmen bringen wenig, wenn die EU-Seite nicht auch den Schutz ihrer Zollgrenze vorübergehend aufgibt, womit kaum zu rechnen ist. Es bleibt dabei: London und die EU müssen sich endlich auf ein Brexit-Abkommen einigen, das für eine geordnete Trennung sorgt.

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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