
Kommentar : Nur ein Job integriert die Muslime
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Die Bertelsmann-Stiftung zeichnet ein positives Bild zum Integrationsprozess von Muslimen. Es hilft sehr, sich die Ergebnisse der Studie näher anzuschauen.
Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte vergangene Woche eine Studie, die ein sehr positives Bild vom Integrationserfolg der Muslime in Deutschland zeichnete, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Daraufhin lehnten sich die einen beruhigt zurück, wähnten sich in der besten aller Welten und erklärten alle Eingliederungsdebatten für beendet. Die anderen verwarfen die Ergebnisse in Bausch und Bogen, sprachen von mangelnder Seriosität und fuhren den islamistischen Terror auf, um die gesamte Einwanderung von Muslimen für gescheitert zu erklären.
Es hilft, sich die Ergebnisse der Studie näher anzuschauen – und sie mit anderen Daten abzugleichen. Die Studie beruht auf einer Umfrage, also auf der Selbsteinschätzung von Migranten und Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft. Um eine objektive Statistik handelt es sich nicht. Das gilt erst recht für die Frage, wer sich überhaupt als gläubiger Muslim einstuft und wer nicht. Und schließlich geht es um Menschen, die vor 2010 (!) eingewandert sind. Die jüngst hinzugekommenen Flüchtlinge, über deren langfristigen Integrationserfolg sich wenig sagen lässt, sind darin nicht erfasst.
Nur 40 Prozent der vor 2010 eingewanderte Muslime erwerbstätig
Ein Befund ist gewiss richtig: Im internationalen Vergleich steht Deutschland nicht so schlecht da, wie es in den heimischen Debatten oft erscheint. Das liegt vor allem an der guten Wirtschaftslage und dem boomenden Arbeitsmarkt. In kaum einem anderen Punkt sind sich Migrationsforscher so einig: Ob jemand in einer Gesellschaft ankommt oder nicht, das entscheidet sich vor allem anderen am Job. Oft sind es gerade Freunde der Einwanderungsgesellschaft, die das Ökonomische geringschätzen. Das sollten sie nicht tun.
Über das Ausmaß dieses Erfolgs gehen die Meinung auseinander. Die Autoren der Studie schreiben, die Erwerbsbeteiligung von Muslimen weiche vom Bundesdurchschnitt nicht mehr ab. Andere Forscher, etwa das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW), sehen durchaus noch Unterschiede. Unter den 15- bis 64-Jährigen sind demnach nur 40 Prozent der vor 2010 eingewanderte Muslime erwerbstätig. Bei den Christen sind es 50 Prozent, bei den Konfessionslosen sogar fast 60 Prozent: Das könnte sogar darauf hindeuten, dass Religion generell ein Hindernis für die Integration darstellt. Gewiss ist das nicht: Daten aus Großbritannien legen den umgekehrten Schluss nahe.
Erfahrungen mit früheren Flüchtlingskohorten
Das gilt auch für die höhere Schulbildung. Hier beklagen die Bertelsmann-Forscher einen Rückstand im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich. Westlich des Rheins verlassen nur elf Prozent der Muslime vor dem 17. Geburtstag die Schule. In Deutschland sind es hingegen 36 Prozent, die nur einen niedrigen Abschluss machen oder die Schule abbrechen. Das liegt freilich auch an den unterschiedlichen Bildungssystemen. Und ob der lange Schulbesuch im Nachbarland den Einstieg in den Arbeitsmarkt fördert, ist alles andere als ausgemacht.
Ganz offen bleibt schließlich die Frage nach den Flüchtlingen. Noch sind nicht einmal alle Asylanträge bearbeitet, folglich auch gar nicht alle Neuankömmlinge auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Nach den Erfahrungen mit früheren Flüchtlingskohorten dauert es 14 Jahre, bis die Quote der Erwerbstätigen so hoch ist wie bei Einwanderern, die gezielt zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland kommen.
Manches spricht dafür, dass die Bundesrepublik mit den Syrern und Irakern – ähnlich wie zuvor schon bei den Türken – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eher die leichter zu integrierenden Migranten aufgenommen hat. Bis sich die Frage wirklich beantworten lässt, wird es jedoch mindestens ein Jahrzehnt dauern. Und bis dahin hilft beides nicht: die Chancen kleinzureden oder die Größe der Aufgabe zu unterschätzen.