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Kommentar : Kein Steuergeld für den Dämmwahn!

  • -Aktualisiert am

In einem Altbau in Frankfurt werden Platten zur Wärmedämmung angebracht. Bild: Wolfgang Eilmes

CSU-Chef Horst Seehofer stoppt Steuergeschenke für die Hausbesitzer. Das ist gut so.

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          Vergangene Woche ist mal wieder die Welt unter gegangen. Zumindest klingen so die Klagen aus der Gebäude-Dämmindustrie und den mit ihr verbandelten Propagandatruppen: Klimaschutz geopfert, Energiewende vor dem Aus. Da Wirtschaftsverbände nie selbstlos jammern, liegt der Verdacht nahe, dass es in Wirklichkeit um mehr geht als um schmelzende Pol-Kappen (falls überhaupt): Da fürchtet, ganz simpel, eine Branche um ihre Pfründe, sieht bereits einkalkulierte Aufträge davon schwimmen. Umso schöner für die Herren der Industrie ist es, wenn das große Lager der Öko-Krieger mitheult, das macht die Sache weniger verdächtig.

          Was ist passiert? Wird das Dämmen von Häusern über Nacht per Gesetz verboten? Hat die Bundesregierung eingesehen, dass es ein Irrsinn ist, Gebäude mit matratzendicken Platten einzupacken, welche die Häuser verschandeln und die spätestens von der nächsten Generation als Sonderabfall entsorgt werden müssen?

          Nein, der Staat weigert sich lediglich, die energetische Sanierung über die Steuer zu subventionieren, also die Kosten der Hausbesitzer auf die Allgemeinheit über zu wälzen. Das hat die CSU durchgesetzt. Ist das schlimm? Ganz im Gegenteil. Es wird jetzt schon viel zu viel umverteilt in Richtung der Dämmindustrie (wo das Geld der Häuslebauer am Ende nämlich landet).

          Nicht alles von der Seehofer-CSU ist Unsinn

          Daraus lernen wir: Nicht alles, was die Seehofer-CSU veranstaltet, mündet im Unsinn. Die Bayern sind im konkreten Fall nur deshalb nicht zu loben, weil die Motive für ihr Manöver reichlich schräg sind: Ihnen ist lediglich die eine zu bedienende Zielgruppe (in dem Fall die Handwerker) näher als die andere, eben die Dämmstoffindustrie. Der Steuerbonus für Handwerkerleistungen wird gerettet, zu Lasten der Dämm-, Heizungs- und Fensterindustrie, so der vorerst letzte Stand aus Berlin. Das kann sich schnell wieder drehen.

          Mit Sparsamkeit, Schonung des Steuerzahlers oder der Selbstbescheidung des Staates hat wohlweislich niemand argumentiert, das wäre auch zu frech: Schon jetzt subventioniert der Steuerzahler die sogenannte „energetische Sanierung“ mit Milliarden, Kfw-Programm nach Kfw-Programm rollt über das Land. Blöd ist, wer als Hauseigentümer nicht zugreift.

          Nun ist es zweifellos sinnvoll, Energie zu sparen. Richtiges Heizen, gute Fenster, ein isoliertes Dach sind nie verkehrt, nur: was geht das den Steuerzahler an? Und die flächendeckende Vermummung aller Gebäude braucht es ganz sicher nicht. Trotzdem wird in Deutschland gedämmt auf Teufel heraus; immer im Namen des Klimaschutzes, der Ersatzreligion unserer Tage. Dazu werden die einschlägigen Vorschriften am Bau seit Jahren verschärft – unabhängig davon, welche Parteienkombination gerade in Berlin regiert.

          Hauseigentümer werden so genötigt, ihr Geld in die Dämmung zu stecken, auch wenn sie zu Lebzeiten dafür nie eine Rendite sehen, was sich allmählich herumgesprochen hat: Dämmen ist nicht sonderlich ökologisch, ökonomisch ist es ein Witz. Eine „gigantische Fehlallokation von Ressourcen“, nennen das Ökonomen, zu deutsch: „rausgeworfenes Geld, Geldschneiderei mit Heiligenschein.“ Über die „Trickbetrüger“ der „Dämmstoff-Mafia“, mokiert sich Comedian Oliver Welke in der „Heute-Show“. Satire darf das. Erst recht, wenn angesehene Architekten klagen, dass ihre Gilde sich in zehn Jahren dafür schämen wird, was sie heute mit dem Dämmen anrichtet: „Und in 20 Jahren reißen wir dann alles wieder ab.“

          Die Dämmstoffhersteller haben jedenfalls ein Problem: Das Volk zieht nicht mehr richtig mit, erstmals sinken die Einnahmen, dagegen helfen nicht mal sündteure Werbekampagnen Promis wie Uli Wickert. Was also tun? Eine gesetzliche „Dämmpflicht für alle“ zu fordern, um die Geschäfte anzukurbeln, dazu reicht nicht einmal die Allmachtsphantasie dieser durchaus selbstbewussten Branche, statt dessen setzt sie die ganze Hoffnung auf das Steuergeschenk für Bauherren: Dieses Motiv hat den Deutschen noch immer Beine gemacht. Daraus wird’s nun fürs erste nichts, Seehofer sei Dank. Das ist die frohe Botschaft: Jede Niederlage der Dämmlobby ist ein Sieg der Vernunft.

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