
Andreae wird BDEW-Chefin : Die Energiewirtschaft ergrünt
- -Aktualisiert am
Kerstin Andreae, Grünen-Politikerin und neue BDEW-Chefin Bild: dpa
Die Energiewirtschaft basierte mal auf Atom- und Kohlestrom. Von diesem Selbstbild hat sie sich weit entfernt. Mit der neuen BDEW-Chefin Andreae will die Energiewirtschaft anschlussfähig bleiben. Trotzdem fällt ein Schatten auf die Ernennung.
Die Berufung der grünen Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae an die Spitze des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft unterstreicht einmal mehr, wie sehr die grüne Partei mit ihren zentralen Inhalten zur Klima- und Energiepolitik inzwischen die Mitte der Gesellschaft repräsentiert. Sie zeigt ebenso, wie sehr und wie weit sich die deutsche (Energie-)Wirtschaft vom Selbstbild einer auf Atom- und Kohlestrom basierten Branche entfernt hat, das sie noch vor wenigen Jahren abgegeben hat. In der Wasserschutzpolitik sind die Übereinstimmungen mit grünen Positionen schon lange evident.
Mit der Nominierung Andreaes ist dem größten deutschen Energieverband ein kleiner Coup gelungen. Sie ist zwar nicht die erste Frau an der Spitze der Geschäftsführung und auch nicht die erste prominente Grüne im Verband – es gab einen Präsidenten mit grünem Parteibuch – aber nun führen zwei ökologisch denkende Frauen den größten und einflussreichsten deutschen Energieverband. Andreae stemmt das operative Tagesgeschäft, Marie-Luise Wolff gibt als Präsidentin die Linie vor. Man kann das als Zeichen von Modernität in der eher konservativ denkenden, männerdominierten Wirtschaftswelt deuten.
Ein kleiner Schatten
Die Wahl lässt keine Zweifel daran zu, in welche Richtung sich die Politik nach Auffassung der Energiebranche in den kommenden Jahren wenden wird: Richtung grün. Der Einfluss der Politik auf das Geschäft wird wachsen. Mit Andreae soll der Verband bei schwarz-grünen oder grün-rot-roten Koalitionen anschlussfähig und einflussreich bleiben.
Sonst macht die Berufung der als Volkswirtin ausgebildeten, aber in Managementdingen wenig erfahrenen Berufspolitikerin keinen Sinn, auch wenn sie in ihrer Parteikarriere gelernt hat, harte Interessensgegensätze auszufechten. Dass sie in der Fraktion mehr die Wirtschafts- als die Energiepolitik im Auge hatte, ist kein Nachteil. Sie hat Berührungsängste zwischen Grünen und Wirtschaft gelockert, sich selbst aber nicht durch überzogene Forderungen diskreditiert.
Ein kleiner Schatten fällt auf ihre Berufung, weil sie nicht die erste Wahl war. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hatte erst am Montag abgesagt und das auch als sein „klares Bekenntnis zur SPD“ bezeichnet. Andreae wird wohl abgewogen haben, warum sie den hochdotierten Lobbyposten den Unsicherheiten einer weiteren Parteikarriere vorzieht.
