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Gesetzesentwurf gekippt : Skandale ohne Folgen

Mehrere tausend gebrauchte Diesel-Fahrzeuge von Volkswagen auf einem Parkplatz in Michigan: Welche Lehren zieht die Politik aus dem Abgasskandal? Bild: dpa

Mit einem Gesetz zu Unternehmenssanktionen wollte die Koalition wirtschaftliche Kriminalität bekämpfen. Nun ist der Entwurf endgültig ad acta gelegt worden. Gegenwind kam vor allem aus der Unionsfraktion.

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          Zu Beginn der Regierungszeit war sich die Koalition in der Frage von schärferen Sanktionen gegen Unternehmen für Gammelfleisch- und Dieselskandale noch einig, jetzt hat die Union den entsprechenden Entwurf zum Verbandssanktionengesetz endgültig beerdigt. Das hat am Dienstagabend der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak erklärt. Bei dieser Frage „lagen wir völlig über Kreuz“, sagte er während einer Diskussionsveranstaltung auf dem Deutschen Anwaltstag zum Thema „Rechtspolitik vor der Bundestagswahl“.

          Corinna Budras
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          Gescheitert sei das Vorhaben unter anderem an dem Umgang mit internen Ermittlungen, also Untersuchungen, die Unternehmen selbst anstellen, um Fehlverhalten von Mitarbeitern aufzuspüren. Die Ergebnisse daraus hätten nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden können, weil sich das Unternehmen dabei nicht auf das Verteidigerprivileg berufen könnte, argumentierte Luczak. Seiner Meinung nach wäre das kontraproduktiv gewesen. Solche Untersuchungen hätten in Zukunft dann gar nicht mehr stattgefunden. Für die Union sei das nicht verhandelbar gewesen, stellte der Rechtsanwalt klar.

          Bei der zuständigen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) stieß diese Blockade auf harsche Kritik. Sie verwies darauf, dass es im Koalitionsvertrag eine „glasklare“ Vereinbarung gegeben habe. „Wir wollten endlich wirksame und abschreckende Sanktionen für die wenigen kriminell handelnden Unternehmen schaffen, die durch Straftaten Menschen gefährden, Jobs riskieren und den Wettbewerb verzerren“, sagte sie der F.A.Z. Das diene auch dem Schutz des allergrößten Teils der Wirtschaft, der sich selbstverständlich an Recht und Gesetz hält. „Die Unionsfraktion hat jede parlamentarische Beratung des von der gemeinsamen Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurfs verweigert“, kritisierte sie. „Das ist ein Bruch des Koalitionsvertrags, für den mir jedes Verständnis fehlt. Das zeigt, wie wenig die Union aus Skandalen gelernt hat.“ Wer ernsthafte Lehren aus Korruptionsaffären und windigen Geschäften ziehen will, kann sich nicht länger gegen Gesetze für mehr Integrität und Verantwortung sperren.

          Entwurf sah Strafen nach Umsatz vor

          Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ wollte die Koalition Unternehmen für kriminelle Machenschaften ihrer Mitarbeiter stärker in die Verantwortung nehmen. Der VW-Dieselskandal hatte zuletzt wieder offengelegt, wie schwierig dies unter der geltenden Rechtslage ist. Während sich die Strafzahlungen in Amerika auf einen zweistelligen Milliardenbetrag beliefen, und erste verantwortliche Mitarbeiter die Haft schon wieder verlassen haben, steckt Deutschland noch mitten in der Aufarbeitung: Der Konzern selbst wurde nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz belangt und musste eine Geldbuße von gut 2,3 Milliarden Euro zahlen.

          Nach den Plänen von Lambrecht sollte sich das ändern: Ähnlich wie im Kartellrecht sollten sich Geldbußen künftig am Unternehmensumsatz orientieren; das erhöht das Drohpotential. Staatsanwälte sollten verpflichtet werden, zu ermitteln. Bisher haben sie dabei einen Ermessensspielraum. Auch Entlastungen sah der Gesetzesentwurf vor: Unternehmen sollten sich von der Haftung befreien können, wenn sie Compliance-Strukturen nachweisen können und durch interne Ermittlungen dabei helfen, Straftaten aufzuklären.

          Der Gesetzesentwurf, dem die Koalition im vergangenen Herbst noch zugestimmt hatte, wird damit ad acta gelegt. Viele Unternehmen und Verbände dürften darauf mit Erleichterung reagieren; in den vergangenen Monaten war die Kritik an dem Vorhaben immer lauter geworden. Justizministerin Lambrecht moniert hingegen, dass Deutschland damit weiter hinter internationalen Standards zurückbleibe. Die OECD habe die Umsetzung eines Sanktionsrechts für kriminell handelnde Unternehmen erst vor Kurzem wieder als wichtigen Schritt zur Korruptionsbekämpfung angemahnt.

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