Klimaschutzverträge : Habeck-Berater zerpflücken Dauer-Subvention
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Energieintensiv: Die Politik will Stahlhersteller bei der grünen Transformation subventionieren. Bild: dpa
Noch ist es teuer, mit Wasserstoff zu produzieren. Der Wirtschaftsminister will, dass zunächst die Steuerzahler die Mehrkosten tragen. Doch dieser Plan fällt bei Experten durch.
Der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hat den Ruf, ein unbequemes Gremium zu sein. Vor zwei Jahren drängte er die Bundesregierung, die Rente mit 68 einzuführen. Die Mietpreisbremse wiederum würden die 41 Wissenschaftler am liebsten abgeschafft sehen. Auch das neue Gutachten, das der Beirat am Mittwoch vorstellte, hat es in sich, stellt es doch einen Eckpfeiler der Industriestrategie von Robert Habeck (Grüne) grundsätzlich in Frage.
Es geht um die Klimaschutzverträge, die der Wirtschaftsminister mit ausgewählten Unternehmen schließen will. Das Konzept dahinter: Noch haben energieintensive Betriebe wie Stahl- oder Zementhersteller wenig Anreiz, von Kohle und Gas auf CO2-freundliche Produktionstechniken umzustellen. Zwar müssen sie den CO2-Preis zahlen. Doch die etwas mehr als 80 Euro je Tonne, zu denen die Zertifikate aktuell gehandelt werden, sind für die Unternehmen immer noch günstiger als der Umstieg auf grünen Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Habeck will die Betriebe nun nicht nur mit Zuschüssen für den Bau neuer Produktionsanlagen locken, sondern auch damit, dass sie die Mehrkosten im laufenden Betrieb erstattet bekommen. Im ersten Halbjahr soll es die ersten Verträge geben.
Der wissenschaftliche Beirat hält davon allerdings wenig. „Klimaschutzverträge sind ein tiefer Eingriff des Staates in den Markt und mit einer Reihe von Problemen verbunden“, heißt es in dem Gutachten. So lasse sich etwa schwer abschätzen, wie sich die Energiekosten in den nächsten 15 Jahren entwickeln, erläuterte der Beiratsvorsitzende Klaus Schmidt, der an der Universität München lehrt. Über diesen Zeitraum sollen die Steuerzahler nach den Plänen des Ministeriums die Produktion subventionieren. „Das wird mit Sicherheit zu einer Überförderung der Unternehmen führen“, warnte Schmidt.
Warnung vor dem Verlust an Innovationskraft
Sein Beiratskollege Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), befürchtet zudem, dass die deutsche Wirtschaft durch die Verträge an Innovationskraft verliert. Wenn der Preis für klimafreundlich hergestellten Stahl staatlich subventioniert werde, lohne es sich weniger, „wenn jemand eine tolle Idee hat, wie man auf Stahl verzichten kann“.
Trotz aller Kritik rieten die Wissenschaftler indes nicht ganz von diesem Instrument ab. „Nach unserem Geschmack wird zu viel Geld für die Klimaschutzverträge ausgegeben, aber man wird nicht völlig daran vorbeikommen“, sagte Schmidt. Wichtig sei, dass es sich tatsächlich nur um eine Anschubfinanzierung handele. Das marktwirtschaftlichere Instrument seien „grüne Leitmärkte“. Damit gemeint sind etwa staatliche Vorgaben, wie viel Prozent grün erzeugter Stahl ein Auto oder eine Brücke enthalten muss. Auch müsse länderübergreifend klar definiert werden, wann Stahl „grün“ ist. Langfristig müssten die Verbraucher die Kosten der Transformation bezahlen und nicht die Steuerzahler, so die Empfehlung.
2,2 Milliarden Euro für die Dekarbonisierung
Es geht um viel Geld. Im Bundeshaushalt 2023 stehen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums für die Klimaschutzverträge und das Förderprogramm zur Dekarbonisierung der Industrie mehr als 2,2 Milliarden Euro bereit. Bis 2040 sind für die Verpflichtungen aus den Klimaschutzverträgen 68 Milliarden Euro vorgesehen. Habeck war Anfang der Woche in den Vereinigten Staaten, die mit dem Inflation Reduction Act (IRA) Milliardensubventionen für den Klimaschutz ausgelobt haben. Die Regierung in Washington bezuschusse ebenfalls nicht nur Investitionen, sondern auch Betriebskosten, wurde von deutscher Seite betont.
Die Reaktion der Europäer auf den IRA wird auf dem an diesem Donnerstag beginnenden Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel eine zentrale Rolle spielen. Habeck stellte sich am Mittwoch im Bundestag hinter die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Lockerung der Beihilferegeln. „Wir haben einen massiven Investitionsbedarf“, sagte er. Die USA würden mit schnellen und unlimitierten Steuererleichterungen locken. Auch Europa müssen sicherheitsrelevante Industriezweige besser fördern. Die niederländische Regierung hat dagegen am Mittwoch ein Positionspapier vorgelegt, in dem sie sich klar gegen eine erhebliche Ausweitung von Subventionen stellt. Das gilt insbesondere für den Vorschlag, Hilfen von Drittstaaten für den Bau von Fabriken mit Hilfen gleicher Höhe kontern zu können („Matching“).
Die Niederlande stehen damit nicht allein. Zwei Drittel der EU-Staaten von Polen über Spanien und Italien bis Finnland warnen nach einem internen Ratsdokument, das der F.A.Z. vorliegt, vor „Binnenmarktverzerrungen und Subventionswettläufen“. Sie fürchten, dass sie nicht mit den finanziellen Ressourcen von Ländern wie Frankreich und vor allem Deutschland mithalten können. Frankreich, Italien, Spanien, aber auch die Slowakei und Tschechien dringen deshalb auf einen neuen – schuldenfinanzierten – EU-Fonds. Die EU-Kommission argumentiert, finanzschwache Staaten könnten auf ungenutzte Mittel aus dem Corona-Fonds zurückgreifen. Sie will aber bis Sommer einen Vorschlag für einen Europäischen Souveränitätsfonds vorlegen.