Neue Studie zur Energiewende : Europa vor Japan auf Platz eins bei Wasserstoffpatenten
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Innovation aus dem Bereich Wasserstoff: der erste Wasserstoffzug des Rhein-Main-Verkehrsverbundes von dem Hersteller Alstom. Bild: Lucas Bäuml
Jede zehnte Patentanmeldung für Wasserstoff stammt aus Deutschland. München und das Ruhrgebiet sind die Regionen, in denen die Entwicklung der innovativen Energietechnik vorangetrieben wird.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität zählt Wasserstoff als Hoffnungsträger. Mit ihm lässt sich grüne Energie speichern, und die Treibhausgasemissionen lassen sich senken, was bislang noch zu selten vorkommt. Immer mehr Konzerne und Jungunternehmen tüfteln an Möglichkeiten, Wasserstoff einzusetzen. Das zeigt sich in der wachsenden Zahl von Wasserstoffpatenten: Und Deutschland und Europa liegen damit auf der Welt vorn.
Die EU führt mit einem Anteil von 28 Prozent an wasserstoffbezogenen Patenten aus den Jahren 2011 bis 2020 vor Japan mit 24 Prozent, wie das Europäische Patentamt (EPA) gemeinsam mit der Internationalen Energieagentur (IEA) herausgefunden hat. Die neue Studie „Wasserstoffpatente für eine Zukunft mit sauberer Energie“ erscheint am Dienstag und lag der F.A.Z. vorab vor.
Patentamtspräsident António Campinos sieht darin ermutigende Verhaltensmuster für den Wandel der Wirtschaft: Das Potential von Wasserstoff sei wesentlich für die europäische Strategie zur Klimaneutralität bis 2050. „Jedoch sind noch dringend Innovationen bei einer Vielzahl von Technologien erforderlich, wenn Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Verringerung der CO2-Emissionen und der Bewältigung des Klimawandels spielen soll“, sagte er.
Die Hälfte der internationalen Patentfamilien in den Jahren 2011 bis 2020 bezieht sich auf Technologien, um Wasserstoff zu produzieren: Zunehmend geschieht das nach Angaben des Patentamtes mit emissionsarmen Methoden wie der Elektrolyse, die etwa Solarenergie in Wasserstoff umwandeln kann. Die Erfindungen umfassen die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu den Endanwendungen für den Autoverkehr, die Luftfahrt, die Heizung oder die Stahlproduktion.
Aus Deutschland kommt mehr als jede zehnte Wasserstofferfindung. Mit einem Anteil von 11 Prozent liegt das Land damit vorn und erreicht Technologievorteile im Bereich der Speicherung, Verteilung und Umwandlung sowie für Endanwendungen. Die USA sind hingegen als einziges Land unter den Spitzenreitern mit internationalen Wasserstoffpatentanmeldungen zurückgefallen. Der Innovationsbeitrag des Landes hat sich seit dem Jahr 2014 ungefähr halbiert.
Dieser Rückgang überrascht Ilja Rudyk, Ökonom am Europäischen Patentamt in München und einer der Studienautoren, da Amerika normalerweise in allen Bereichen vertreten sei. „Deutschland hat eine Führungsrolle über die gesamte Wertschöpfungskette“, sagte er im Gespräch. Rudyk sieht vor allem zwei größere Innovationscluster hierzulande: In der Münchner Region mit den Konzernen Linde , BMW und Airbus – und im Ruhrgebiet vor allem mit Thyssenkrupp und BASF .
Allerdings liegt nach der Erhebung die deutsche Automobilbranche weit hinter Japan und Korea zurück, die teilweise zehnmal so viele Patente anmelden. Hierzulande haben 17 Start-ups mit Patentaktivitäten im Wasserstoffbereich von 2011 bis 2020 rund 278 Millionen Euro an Wagniskapital erhalten.
Um Wasserstoff herzustellen, kommt es bisher oft auf den Einsatz fossiler Energieträger an. Das gilt nach Rudyks Angaben für 99 Prozent des erzeugten Wasserstoffs, während ein Prozent mit emissionsarmen Verfahren entsteht. Für die Patentanmeldungen hat sich das Verhältnis umgedreht: Im Jahr 2020 betrafen 80 Prozent der Erfindungen emissionsarme Produktionsmöglichkeiten und 20 Prozent fossile Anwendungen: „Wir sehen eine Verlagerung der Produktion aus fossilen Stoffen in emissionsarme Produktionsmöglichkeiten“, sagte er.
Auch für die Internationale Energieagentur ist es wichtig, wie hoch der Anteil der Treibhausgasemissionen in der Wasserstoffproduktion ist. „Wasserstoff aus emissionsarmen Quellen kann eine wichtige Rolle beim Übergang zu sauberer Energie spielen und hat das Potential, fossile Brennstoffe in Branchen zu ersetzen, in denen es nur wenige saubere Alternativen gibt, wie im Fernverkehr und in der Düngemittelproduktion“, sagte Exekutivdirektor Fatih Birol. Die Studie zeige, dass Erfinder auf den Bedarf an wettbewerbsfähigen Wasserstoffversorgungsketten reagierten. An anderen Stellen und besonders bei Endverbrauchern seien weitere Anstrengungen erforderlich.
Laut Patentamt und Energieagentur ragt unter den Endanwendungen von Wasserstoff die Autobranche heraus. Für die Dekarbonisierung des Fernverkehrs, des Fliegens, der Stromerzeugung und des Heizens sei eine solche Innovationstätigkeit nicht zu erkennen.
Die Netto-Null-Emissionszusagen der Länder könnten aber nicht erreicht werden, ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe in diesen Sektoren zu reduzieren. Positiv fällt den Studienautoren die Stahlproduktion auf. Hier habe es gerade in jüngster Zeit viele Patentanmeldungen gegeben.