Günstigere Strompreise? Diese Hoffnung können Verbraucher möglicherweise bald begraben. Bild: Marcus Kaufhold
Weil die Reviere und Kraftwerksbetreiber so gut wegkommen, fehlen zwei Milliarden Euro für die Stromzuschüsse an Betriebe und Haushalte. In der Wirtschaft sorgt das für Empörung.
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Weil der Bund für den Kohleausstieg mehr Geld als geplant an die Revierländer und an die Kraftwerksbetreiber zahlt, fehlen offenbar die Mittel für die versprochenen Strompreissenkungen. Darauf deuten Änderungen im jüngsten Referentenentwurf zum Kohleausstiegsgesetz hin, die für Empörung in der deutschen Wirtschaft sorgen.
„Der Ausstieg aus der Kohleverstromung wird zu einer spürbaren Erhöhung der Strompreise führen. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Wirtschaftsstandort Deutschland empfindlich schwächen“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags DIHK, Eric Schweitzer, der F.A.Z. Die Kohlekommission habe vor einem Jahr empfohlen, die Stromverbraucher durch einen Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten oder auf anderem Wege zu entlasten. „Für mich war dies eine Voraussetzung für meine Zustimmung zum Kohlekompromiss“, sagte Schweitzer. Es dürfe nicht sein, dass der versprochene Ausgleich im Ausstiegsgesetz jetzt abgemildert werde; die Vorlage soll kommenden Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden. „Diese wichtige Kompensation muss aus meiner Sicht ein verbindlicher Bestandteil des Kohleausstiegs bleiben“, forderte Schweitzer.
Vorgehen gefährde die Planungssicherheit
Kritik kam auch vom Industrieverband BDI. Die Entlastung privater und gewerblicher Stromverbraucher sei „ein fester Bestandteil“ der Kommissionsempfehlungen gewesen, teilte der BDI mit. Der Gesetzentwurf bleibe deutlich hinter dem Votum des Gremiums zurück. „Ein solches Vorgehen der Bundesregierung gefährdet die Planungssicherheit und ist nicht geeignet, Nachteile in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und soziale Belastungen verlässlich auszugleichen“, monierte der BDI und warnte davor, dass der Kohlekompromiss „ausgehebelt“ werde.
Sogar der Wirtschaftsrat der CDU meldete Bedenken gegen den Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) an. Die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie müssten stets an erster Stelle stehen, verlangte Generalsekretär Wolfgang Steiger. Dass es gemäß des Ausstiegsgesetzes in späteren Jahren möglich werde, Steinkohlekraftwerke entschädigungslos vom Netz zu nehmen, werfe viele Fragen auf und werde die Eigentümer mit Milliardenkosten belasten: „Die Bundesregierung sollte eine Enteignungsdebatte und teure Klagen wie beim Ausstieg aus der Kernkraft unbedingt vermeiden.“ Mit Bezug auf die Strompreise forderte Steiger, Ausgleichszahlungen für energieintensive Betriebe gesetzlich zu verankern. Die versprochenen Zuschüsse dürften „nicht zum Spielball in Verhandlungen zwischen verschiedenen Ministerien werden“, warnte er.
Finanzministerium will keine weiteren Mittel bewilligen
Damit legt der CDU-Wirtschaftsrat den Finger in die Wunde. Denn in Berlin ist zu hören, dass die in der vergangenen Woche gefundene Einigung des Bundes mit den Kohleländern sowie mit den Kraftwerksbetreibern zum endgültigen Kohleausstieg bis 2038 deutlich teurer werden dürfte als erwartet. Das Finanzministerium wolle aber keine weiteren Mittel bewilligen, weshalb Altmaier seine Versprechen an die Stromkunden habe abmildern müssen. Insgesamt sollen den jüngsten Planungen zufolge im Zusammenhang mit dem Ausstiegs- und dem Strukturstärkungsgesetz öffentliche Mittel von gut 50 Milliarden Euro fließen (F.A.Z. vom 17. und 18. Januar).
Gemäß den Berechnungen der Wirtschaftsverbände müssen die Zuschüsse zur Kompensation höherer Strompreise mehr als 2 Milliarden Euro im Jahr betragen. Dieser Betrag ist nach der Bund-Länder-Einigung vom 15. Januar offenbar nicht mehr gedeckt, weshalb der Referentenentwurf geändert wurde. Ursprünglich versprach das Papier, es seien Entlastungen für Stromverbraucher „vorgesehen“.
Jetzt heißt es nur noch, sie würden „ermöglicht“. Dem neuen Entwurf zufolge „kann“ vom Jahr 2023 an ein Zuschuss auf die Übertragungsnetzentgelte gewährt werden – zuvor hieß es, er „wird“ gewährt. In der jüngsten Fassung „soll“ die entsprechende Rechtsverordnung bis Ende 2022 ergänzt werden. Ursprünglich stand hier, sie „ist zu ergänzen“ und zwar schon bis Ende 2020. Zur genauen Höhe der Zuschüsse steht in keiner Fassung etwas. In der neuen Version heißt es lediglich, sie müssten „angemessen“ ausfallen.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Volkswirte warnen jedoch davor, die Auswirkungen des Kohleausstiegs auf die Strompreise zu überschätzen. Die Tarife würden viel stärker von anderen Faktoren getrieben, etwa von den höheren Preisen für Emissionszertifikate oder für Gas, sagte der Münsteraner Energieökonom Andreas Löschel. „Der Kohleausstieg spielt gegenüber diesen Entwicklungen eine relativ kleine Rolle. Entsprechend sind auch mögliche Kompensationen sehr restriktiv zu betrachten.“ Hingegen sollten die CO2-Steuern viel stärker genutzt werden, um Steuern, Abgaben und Umlagen auf den Strompreis zu ersetzen. Dadurch werde die Elektrizität für Unternehmen und Haushalte günstiger.