Privater Energieverbrauch : Die Deutschen duschen mehr
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Das Hygienebedürfnis steigt in Zeiten der Pandemie Bild: Espen Eichhöfer/Ostkreuz
In den eigenen vier Wänden wird immer mehr Strom und Wärme verbraucht. Gründe dafür gibt es viele: Die Wohnungen werden größer, das Hygienebewusstsein steigt – und die Zahl der Singlehaushalte nimmt zu.
Allem Klimaschutz zum Trotz – die Deutschen verbrauchen in ihren eigenen vier Wänden immer mehr Energie. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte, hielt der Aufwärtstrend bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie an. Demnach wurden im Jahr 2019 von den hiesigen Privathaushalten 772 Terawattstunden verbraucht, ein Plus von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Vergleich zum Jahr 2012 beträgt das Plus sogar 10 Prozent. Die Werte sind bereinigt um Temperatureffekte wie unterschiedliche Witterung in den jeweiligen Wintermonaten.
Mit Abstand am meisten Energie wird für die Raumwärme verwendet, also das Heizen. Mehr als zwei Drittel des Verbrauchs entfallen im Durchschnitt je Haushalt hierauf. Es folgen Warmwasser, Haushalts- und Elektrogeräte sowohl Kochen und Beleuchtung. Zahlen für das Jahr 2020 liegen noch nicht vor. Sie dürften wegen der verstärkten Arbeit von zu Hause aus aber nochmals einen deutlichen Anstieg des privaten Energieverbrauchs zeigen.
Für die Zunahme gibt es eine Reihe von Gründen. Einer ist der Trend zu mehr Wohnfläche pro Person. Nach Zahlen des Umweltbundesamts maß eine durchschnittliche Wohnung in Deutschland im Jahr 2019 91,9 Quadratmeter, rund ein Prozent mehr als im Jahr 2012. Zudem wanderten in den vergangenen Jahren mehr Menschen in die Bundesrepublik ein als das Land verließen. Hinzu kommen gesellschaftliche Veränderungen und der Zuwachs an Singlehaushalten. So wohnte laut Umweltbundesamt im Jahr 2019 jeder Deutsche im Mittel auf 47 Quadratmetern, das ist ein Zuwachs von knapp 2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2012.
Mehr Fördermittel?
All das schlägt sich auch in der Energiebilanz nieder. Die Synergieeffekte durch das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haushalt beschreibt das Statistische Bundesamt wie folgt: Verbrauchte im Jahr 2019 ein Einpersonenhaushalt im Durchschnitt 12.125 Kilowattstunden, sind es bei einem Zweipersonenhaushalt „nur“ 18.817 Kilowattstunden und bei drei Personen 25 492 Kilowattstunden. Je mehr Menschen sich also eine Wohnung teilen, desto weniger fällt an Strom und Wärme pro Kopf an.
Doch auch Verhaltensänderungen machen sich in den Zahlen bemerkbar, sagt Fabian Hein vom Forschungsinstitut Agora Energiewende. So setze sich der langjährige Trend fort, dass Haushalte mehr Warmwasser verbrauchen. Dahinter dürfte ein gesteigertes Hygienebewusstsein stecken, also mehr, längeres und wärmeres Duschen.
Das politische Bemühen um weniger Energieverbrauch und CO2-Ausstoß wird dadurch konterkariert. „Der steigende Energiebedarf beim Heizen verdeutlicht einmal mehr die Dringlichkeit, die energetische Gebäudesanierung und den Umstieg auf effiziente, klimaneutrale Heizsysteme, wie die elektrische Wärmepumpe, schneller voranzutreiben“, sagt Hein. Nur mit ausreichend gut gedämmten Häusern und klimaneutralen Heizsystemen könne man den Energiebedarf beim Heizen langfristig senken.
Der Agora-Forscher ist der Auffassung, dass die Regierung dafür die Fördermittel aufstocken und Gebäudestandards an das Ziel Klimaneutralität bis 2045 anpassen müsse. „Es gibt nicht so viel energetische Sanierung, wie eigentlich gebraucht wird“, sagt denn auch Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Uni Siegen.
Katja Schumacher, Energieökonomin am Freiburger Öko-Institut, verweist auf die niedrige Sanierungsrate. Sie stagniere seit Jahren bei etwa 1 Prozent der Wohnungen, dabei wären für das Erreichen der langfristigen Klimaschutzziele etwa 2 Prozent vonnöten. Zwar sinke der spezifische Endenergiebedarf je Quadratmeter, hebt sie hervor. Doch werde dieser positive Effekt durch den Anstieg der Wohnfläche pro Kopf zumindest teilweise wieder aufgehoben, da immer größere Wohnflächen beheizt werden.
Ein weiterer Aspekt sei die Erhöhung der Innentemperatur der Wohnräume nach einer Sanierung im Bestand und in neu errichteten Gebäuden, sagt Schumacher. Der Effekt könne zum Beispiel eintreten, wenn Haushalte ihre Raumtemperatur zuvor niedrig hielten, um Kosten zu sparen, und sich nach Sanierung mehr Wärmekomfort leisten können – Ökonomen sprechen von einem Rebound-Effekt. Dies führe ebenfalls zu geringeren Energieeinsparungen als erwartet.