#OlafSchummelt : Klimaschützer schimpfen mit dem Kanzler
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Kanzler für Klimaschutz? Olaf Scholz im Wahlkampf Bild: dpa
Wie viel Klimakanzler steckt in Olaf Scholz? Aktivisten werfen ihm Schummelei vor – darunter auch Abgeordnete der Grünen.
Im Wahlkampf hat sich Olaf Scholz (SPD) als „Kanzler für Klimaschutz“ plakatieren lassen. Daran wollen Umweltschützer ihn nun in seinem Amt als Bundeskanzler auch messen – und werfen ihm schon kurz nach seinem Amtsantritt vor, dass er nicht hält, was er versprach. So richtet sich Fridays for Future direkt an den Sozialdemokraten Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): „Wenn ihr 1,5°C einhalten wollt, bringt es übrigens nichts, die neue EU-Taxonomie einfach durchzuwinken, mit der Atom und Gas als nachhaltig klassifiziert werden“, teilt die Klimaschutzbewegung auf Twitter mit. Diese Nachricht und andere Mitteilungen verbinden ihre Tweets mit dem Zusatz #OlafSchummelt.
Protest erfährt der Kanzler dabei auch direkt aus seiner Ampel-Koalition. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger fordert von Scholz, dass Erdgas nicht als nachhaltig klassifiziert werden darf. „Aufgrund der Klimakrise verlieren bereits jetzt Menschen ihr Leben“, schreibt sie. Und auch: „Schummeln können wir uns nicht leisten.“
Der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss stimmt dem ebenfalls zu: Es müsse gestoppt werden, dass Atom und Gas als nachhaltig gelabelt werden. Er hat dazu auch eine Petition gestartet – allerdings richtet sich diese nicht an Kanzler Scholz, sondern an die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und den EU-Kommissar Frans Timmermans. Dort schreibt er, dass am 31. Dezember die EU-Kommission Atomkraft und fossiles Gas als „nachhaltige Investition“ einstufen will. „Es droht ein Greenwashing-Skandal auf Kosten des Klimaschutzes!“ Am Mittwochmittag hatte er dafür rund 80.000 Unterschriften gesammelt.
Bisher ist unklar, welche Energieträger die Europäische Union mit ihrer „Taxonomie“ als nachhaltig einstufen wird. Wichtig ist die Regelung aber, weil viele Investoren sich aus nicht-nachhaltigen Projekten zurückziehen. Hierüber hat die EU also eine Hebel, um Vorgaben für den Klimaschutz zu erreichen. Unter den Regierungschefs in der EU befürworten viele die Atomkraft, weswegen deren Einstufung als „nachhaltig“ als wahrscheinlich gilt. So will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auch für den Klimaschutz die Atomkraft in seinem Land erhalten.
Nach dem jüngsten EU-Gipfel versuchte Scholz zu beschwichtigen. „Die Frage wird völlig überbewertet“, sagte er. Sie sei zwar wichtig für diejenigen, die Geld anlegen wollten, sollte aber nicht überschätzt werden. Am Ende entscheiden die einzelnen Länder, welchen Weg sie gehen wollten. „Die Taxonomie ist ein kleines Thema in einer ganz großen Frage.“ Einen Vorschlag der EU-Kommission müssen die Staaten danach noch annehmen und könnten ihn mit einer qualifizierten Mehrheit blockieren.
Daher dürfte die Einstufung als Nachhaltigkeit nicht allein an Deutschland hängen. Doch die Hoffnung der Klimaschützer ruht offenbar auf die Bundesregierung. Im November hatten auch mehr als 100 Umweltverbände aus Europa Kanzler Scholz um Hilfe gerufen. In einem offenen Brief an den SPD-Politiker fordern sie, dass er sich sowohl gegen Atomkraft als auch gegen fossiles Erdgas einsetzen möge, damit die EU diese nicht als nachhaltige Investitionen in der neuen Taxonomie einstuft. „Wir sind äußerst besorgt über die Ankündigung der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, im Rahmen der EU-Taxonomie sowohl Kernenergie als auch fossiles Gas als nachhaltig zu bezeichnen“, heißt es darin.
Die Umweltorganisationen schreiben weiter, dass die EU-Taxonomieverordnung Leitlinien für die notwendigen zukunftsorientierten Investitionen für den wirtschaftlichen Wandel in Europa liefern soll. Jedoch sei die Kernenergie aufgrund der hohen Sicherheitsrisiken, der Umweltverschmutzung und des ungelösten Abfallproblems nicht nachhaltig. Fossiles Gas emittiere entlang seiner Förder- und Transportkette große Mengen klimaschädlicher Treibhausgase wie besonders Methan. Die Vergabe des Gütesiegels der Nachhaltigkeit an Atomkraft und fossiles Gas würde die Klimaziele der EU untergraben, dringend benötigte Investitionen in den grünen Wandel umleiten und die Glaubwürdigkeit des gesamten europäischen Green Deals gefährden.