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Viele Hindernisse : Mehr Windräder reichen auch noch nicht

  • -Aktualisiert am

Windräder an Land stehen hier in Mecklenburg-Vorpommern. Bild: dpa

Der Ausbau der Windkraft schreitet voran. Aber die Branchenprognose liegt weit unter den Klimazielen. Was dauert so lange?

          3 Min.

          Für Energiewende und Klimaschutz muss Deutschland viel mehr Ökostrom als bislang erzeugen. Dafür sollen auch mehr Windräder stehen, sich drehen und die CO2-Emissionen hierzulande senken. Doch der Ausbau kommt nicht schnell genug voran. Die Branche beschwert sich, dass gesetzliche Auflagen und betroffene Anwohner ein schnelles Vorankommen verhindern. Immerhin sind im ersten Halbjahr 240 neue Windräder an Land mit einer Leistung von zusammen rund 970 Megawatt gebaut worden. Das sind 62 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und sogar mehr als im Gesamtjahr 2019. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen WindGuard hervor, die der Bundesverband Windenergie (BWE) und VDMA Power Systems, ein Fachverband des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, am Dienstag als Auftraggeber vorstellten.

          Jan Hauser
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Allerdings werden auch Anlagen abgerissen. Weil 135 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 140 Megawatt stillgelegt wurden, kommt der tatsächliche Netto-Zubau noch auf 831 Megawatt. Insgesamt drehen sich in Deutschland an Land inzwischen fast 30.000 Windräder.

          Wachstum liegt hinter dem Ökostromziel

          BWE-Präsident Hermann Albers sieht das positiv. „Die Talsohle ist durchschritten“, sagt er. Allerdings liege immer noch ein steiniger Weg vor ihnen. Verfahren müssten beschleunigt und Flächen effizienter genutzt werden können, um die die Klimaziele in der Europäischen Union und Deutschland zu erreichen.

          Denn die Windkraft bleibt hinter den politischen Wünschen  zurück. Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems, spricht davon, dass das Wachstum nicht die Ziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2021 von knapp 4000 Megawatt im Jahr erfüllt. Mit einem Ausbau wie im ersten Halbjahr wäre mit neuen Windanlagen an Land von etwa 2000 Megawatt in diesem Jahr zu rechnen und damit erst die Hälfte erreicht. Die beiden Verbände erwarten für das Gesamtjahr etwa 2200 bis 2400 Megawatt – wenn Abläufe in den Lieferketten und bei der Errichtung nicht gestört werden.

          Zelinger sieht zudem mindestens 5000 Megawatt im Jahr als Brutto-Ausbauziel als erforderlich an. Dies werde nach dem deutschen Klimaschutzgesetz nötig, das die CO2-Emissionen um 65 Prozent bis 2030 hierzulande senken soll, und durch die neue Stromverbrauchsprognose des Bundeswirtschaftsministeriums. „Das Tempo für Flächenausweisung und den Abbau von Genehmigungshemmnissen muss jetzt stark beschleunigt werden“, sagt er.

          Da sind sich die beiden Verbandsvertreter einig. An die nächste Bundesregierung richten Albers und Zelinger den Wunsch, dass diese in den ersten 60 Tagen die Weichen für den Ausbau von 6000 Megawatt im Jahr stellt. Mit einem solchen Vorpreschen wäre die Delle im Zubau von 2018 bis ins kommende Jahr aufzufangen.

          Grüne wollen Windräder näher an Häusern bauen

          Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nannte am Dienstag die Union als Schuldigen für den geringeren Ausbau. Sie kritisierte, dass sich CDU und CSU auf Bundesebene gegen höhere Ausschreibungsmengen gesperrt hätten. Die in ihren Augen harten Mindestabstände in Nordrhein-Westfalen und Bayern würden den Ausbau weiter ausbremsen. „Dabei ist der Ausbau der erneuerbaren Energien entscheidend für den Klimaschutz und den Umbau hin zu einer klimaneutralen Industrie. Wer Klimaschutz sagt, muss auch Windräder bauen“, sagte sie.

          Während im Norden mehr Windräder stehen und Niedersachsen als Windkraftland Nummer eins gilt, ist der Anlagebestand im Süden geringer. Gerade von Baden-Württemberg und Bayern verlangt Albers daher mehr Flächen für die Windkraft. Er kritisierte die bayerische Regel, nach der ein Windrad grundsätzlich mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss: Ein 200 Meter hohes Windrad muss dadurch 2 Kilometer von Wohngebäuden entfernt sein. Das sei deutlich strenger als in anderen Ländern.

          Der BWE-Präsident fordert verbindliche Ziele, damit zwei Prozent der Fläche in den Ländern für die Windenergie genutzt wird. Viele Länder seien davon noch weit entfernt. Baerbock sprach ebenfalls davon, dass zwei Prozent der Flächen zur Verfügung stehen sollten. Baden-Württemberg plant als einen Schritt nun 1000 neue Windräder im Staatswald.

          Was bremst konkret den Ausbau? Da sprechen die Verbände mehrere Punkte deutlich an: Mangelnde verbindliche Flächenausweisungen, komplizierte Genehmigungsprozesse und ein ungeklärter Artenschutzkonflikt. Auch würden heterogene Verfahren der Bundesländer, überbordender Prüfungsaufwand, administrative Hürden und unzureichend ausgerüstete Behörden hinzukommen. Die Branche fordert eine bundesweit einheitliche und einfache Baumusterprüfung sowie einheitliche Genehmigungsverfahren in den Bundesländern. Sonst müssten sie weiter für jedes Bundesland einzelnen planen.

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