Koalitionsausschuss : Nach dem Streit ist vor dem Streit
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Schwindende Harmonie: Vom Moment der Einigkeit zwischen Lars Klingbeil (SPD, rechts), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP, links) ist wenig übrig. Bild: dpa
Am Tag nach den Ampelkompromissen wird klar, dass FDP und Grüne sie völlig anders lesen. Eine Übersicht der Konfliktfelder.
Am Tag nach Bekanntgabe der Beschlüsse des Koalitionsausschusses hat jede Seite versucht, sich als Sieger in den Marathonverhandlungen darzustellen. Am Dienstagabend hatten sich die drei Parteivorsitzenden Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) noch betont harmonisch gegeben, es war von „Durchbrüchen“ und „Paradigmenwechseln“ die Rede. Am Mittwoch jedoch war die große Einigkeit verflogen, als deutlich wurde, dass viele Ergebnisse völlig unterschiedlich, zum Teil sogar diametral gegensätzlich bewertet werden.
Das gilt vor allem für die Gesetzgebung zum Klimaschutz, zur Wärmewende und zum Verkehrsausbau, wo die alten Gräben zwischen Grünen und FDP wieder aufzubrechen drohen. Am gelassensten konnten sich „am Tag danach“ noch die Sozialdemokraten geben. Sie glauben, in den Gesprächen eine Grundlage dafür geschaffen zu haben, dass die vielen, für die Klimaneutralität im Jahr 2045 nötigen Gesetze die Bürger nicht überfordern. Weder sollen sie dazu gezwungen werden, ohne ausreichende Kompensation neue Heizungen einzubauen oder deswegen höhere Miete zu bezahlen, noch will man der Bevölkerung einen bestimmten Verkehrsträger aufzwingen.
Scholz: Neues „Deutschlandtempo“
Aus der SPD war am Mittwoch viel von „sozialer Abfederung“ zu hören, die jetzt gelungen sei. Das dürfte bedeuten, höhere Förderungen zur Verfügung stellen zu wollen. Konkrete Vereinbarungen sind dazu jedoch nicht getroffen worden. Wie überhaupt die genaue Ausgestaltung der Kompromisse oft noch in der Schwebe hängt. Nach Lindners Worten hat die Ampel über den Haushalt 2024 nur kurz gesprochen. Das Ringen um den Etat stand also nicht im Vordergrund, zumal die Subventionen zur Wärmewende aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlt werden sollen.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte im Bundestag, zur Modernisierung der Infrastruktur seien „ganz konkrete Verabredungen“ getroffen worden. Es werde ein neues „Deutschlandtempo“ beim Ausbau des Verkehrs, der erneuerbaren Energien, der Netze und der Dekarbonisierung von Heizungen geben – aber ohne Übertreibungen: „Niemand wird mit seinen Problemen alleingelassen.“ Indirekt gestand er allerdings ein, dass noch Vieles unklar sei, etwa die sozial gestaffelte Heizungsförderung. Die „konkrete Ausgestaltung“ der Unterstützung und auch der Frage zulässiger Heizungstypen werde im April erfolgen. Klar sei jedoch: „Niemand muss sich Sorgen machen.“
Wasserstoff im Heizungskeller?
Reibereien gibt es vor allem zwischen FDP und Grünen. Mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz hatte Lindner gesagt: „Es wird keine Austauschpflicht für bestehende Heizungen geben.“ Die Grünen verwiesen am Mittwoch darauf, dass von dieser Revision der ursprünglichen Pläne ihres Wirtschaftsministers Robert Habeck in dem Papier nichts stehe. Der FDP ist wichtig, dass es im Heizungskeller „technologieoffen“ zugeht. Neben der von den Grünen bevorzugten Wärmepumpe und der Fernwärme müssten auch Anlagen mit Biomasse und „grünem“ und „blauem“ Wasserstoff zulässig sein.
Gasheizungen seien weiterhin tragbar, wenn sie später mit Wasserstoff betrieben werden könnten, versicherte die FDP. Dem Papier nach tragen die Grünen das zwar mit, halten die Alternativen zur Wärmepumpe aber für unrealistisch. Die wenigsten Gasheizungen erfüllten die neue Pflicht, von 2024 an zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu laufen, also mit Wasserstoff. Zum Zweiten dürften die Anforderungen an die Gasnetzbetreiber unerfüllbar hoch werden. Zum Dritten steige nach 2027 der CO2-Preis im erweiterten EU-Emissionshandel, sodass sich Öl- und Gasheizungen keinesfalls lohnten.