Blackout-Gefahr in Deutschland : Künstliche Intelligenz soll die Stromversorgung sicherer machen
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Strommasten in Schwieberdingen, Baden-Württemberg Bild: dpa
Am Samstagabend wurden abermals Industriebetriebe vom Netz genommen. Doch die Netzbetreiber stellen klar: Es gibt keine Häufung von „Lastabwürfen“.
Am vergangenen Samstag fuhr die Stromerzeugung in Deutschland wieder einmal Achterbahn. Wie üblich an sonnenverwöhnten Tagen im August, speisten Solaranlagen tagsüber kräftig ins Netz ein. Doch in Richtung Abend änderte sich das Bild, und zwar schlagartig: Lieferte die Photovoltaik von 13 bis 14 Uhr noch mehr als 30.000 Megawattstunden und damit so viel wie kein anderer Energieträger, schrumpfte die Einspeisung zwischen 19 und 20 Uhr auf weniger als 3000 Megawattstunden zusammen.
Für das Stromnetz blieb das nicht folgenlos: Weil die Nachfrage in den Abend hinein praktisch unverändert bei rund 50.000 Megawattstunden verharrte, mussten Reserven wie Pumpspeicher aktiviert werden. Braunkohlekraftwerke liefen auf Hochtouren, auch wurde vermehrt Strom importiert. Aber all das reichte nicht. Ab 19.49 Uhr zogen die Netzbetreiber deshalb weitere Register und nahmen mit den „sofort abschaltbaren Lasten“ (SOL) vier Industrieanlagen vom Netz, darunter die Aluminiumhütte von Trimet in Essen.
Elf Minuten später ging der Abwurf von Großverbrauchern quer durch die Republik weiter.Nun wurden zusätzlich mehrere der „schnell abschaltbaren Lasten“ (SNL) auf Geheiß der Netzbetreiber von der Stromversorgung abgeklemmt, um Erzeugung und Nachfrage ins Lot zu bringen. Bei ihnen gibt es eine Vorlaufzeit von einigen Minuten, während die SOL innerhalb von 350 Millisekunden vom Netz gehen. Die Abwürfe dauerten bis 21 Uhr. Danach kehrte Ruhe ein. Die betroffenen Industriebetriebe wurden regulär entschädigt – sie können sich um die Bereitschaft zum Lastabwurf bewerben, die Kosten werden auf den Strompreis umgelegt – und konnten ihre Produktion wiederaufnehmen.
„Können keine Zunahme feststellen“
Alle übrigen Verbraucher im Land sollten von den Eingriffen nichts mitbekommen haben. Auch deshalb geben sich die Netzbetreiber im Nachgang betont gelassen. „Am Samstag wurden aufgrund eines hohen Regelbedarfes die abschaltbaren Lasten eingesetzt“, sagt eine Sprecherin von Amprion der F.A.Z. Der Einsatz erfolge „konzeptgemäß als Teil des Werkzeugkastens der Systemführung“, und aus Sicht der Netzbetreiber habe es „keine Anomalie“ gegeben.
Auch Sorgen, wonach die Engpässe durch den Ausbau von Wind und Sonne zunehmen, weist Amprion zurück. „Die Prognosen für den Strommarkt sind im Wesentlichen wetterabhängig“, sagt die Sprecherin, „wir können hier keine Zunahme der Abweichungen feststellen.“ Man nutze zudem Künstliche Intelligenz, was die Wetterprognosen immer zuverlässiger werden lasse. „Die abschaltbaren Lasten werden in den vergangenen Jahren immer seltener eingesetzt. Die durchschnittliche Abrufwahrscheinlichkeit für abschaltbare Lasten im Jahr 2020 habe 0,02 Prozent betragen“, so die Aussage von Amprion.
Wirtschaftsvertreter betonen, dass das so bleiben müsse. „Versorgungssicherheit ist ein hohes Gut für den Industriestandort Deutschland“, sagt Alexander Kronimus vom Verband der Chemischen Industrie. „Schon kurzzeitige Versorgungsunterbrechungen können in der Industrie zu hohen wirtschaftlichen Schäden führen.“
Der Bundesverband Glasindustrie wird noch deutlicher und warnt vor Schäden im sechsstelligen Bereich. „Das Thema Stromnetzstabilität steht bei der Glasindustrie ganz oben auf der Agenda, da sich der Glasschmelzprozess durch hohe Kontinuität auszeichnet“, sagt eine Sprecherin. Glaswannen seien an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden in Betrieb, und der Schmelzprozess reagiere sehr sensibel auf Schwankungen der Stromnetzstabilität. Schon kurze Unterbrechungen oder Schwankungen könnten deshalb zu stundenlangen Produktionsausfällen führen und sich negativ auf die elektronischen Bauteile an den Glaswannen auswirken.