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Industriestrompreis : Habeck: Industrie soll nur noch 6 Cent für Strom zahlen

Wirtschaftsminister Robert Habeck Bild: dpa

Das Bundeswirtschaftsministerium legt ein Konzept für einen Industriestrompreis vor. Streit mit Finanzminister Christian Lindner ist programmiert.

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          Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Strompreis für energieintensive Industriezweige auf 6 Cent je Kilowattstunde deckeln. Dies geht aus einem Eckpunktepapier hervor, das das Ministerium am Freitag veröffentlichte. Die Kosten für den sogenannten „Brückenstrompreis“ schätzt das Wirtschaftsministerium auf der Basis der aktuellen Prognosen zur Entwicklung der Strompreise bis 2030 auf 25 bis 30 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kommen, aus dem derzeit auch die Gas- und Strompreisbremsen für Privathaushalte und Unternehmen finanziert werden. Insgesamt stehen im WSF zur Bewältigung der Energiekrise 200 Milliarden Euro bereit. Wegen der gesunkenen Energiepreise wird nur ein Teil der Kreditermächtigungen benötigt.

          Julia Löhr
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.
          Manfred Schäfers
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

          Schon in den vergangenen Wochen hatten Politiker der Grünen und der SPD signalisiert, dass sie Mittel aus dem WSF gerne für andere Zwecke nutzen würden. Die FDP lehnte eine Umwidmung der Mittel dagegen ab. Der Zweck des Fonds ist gesetzlich festgelegt: Er dient zur Bewältigung der Energiekrise, mit Instrumenten wie den Preisbremsen für Gas und Strom. Denkbar wäre, dass Habecks Ministerium die Strompreisbremse für große industrielle Abnehmer einfach über April 2024 hinaus verlängern will, um im Rahmen der WSF-Regelungen zu bleiben. Aktuell zahlen Industriebetriebe für ihren Strom 13 Cent je Kilowattstunde für 70 Prozent ihres Vorjahresverbrauchs, plus Steuern, Abgaben und Umlagen. Habecks Konzept zufolge sollen beim Industriestrompreis 80 Prozent des Verbrauchs subventioniert werden.

          Übergangslösung, bis genug EE-Strom vorhanden

          Habecks Vorlage ist offenkundig nicht mit dem Bundesfinanzministerium abgestimmt. Christian Lindner (FDP) hatte öffentlich vor solchen Plänen gewarnt. An seinem Widerstand gegen den subventionierten Strom für die Industrie hat sich nichts geändert. „Das ist ein finanzielles Luftschloss“, hieß es am Freitag im Bundesfinanzministerium. Das Wirtschaftsministerium sollte durch vernünftige Energiepolitik die Preise drücken und nicht durch Subventionen auf Pump. Erst werde die Kernkraft abgeschaltet, dann solle der Steuerzahler kompensieren. „Eine Umwidmung des WSF widerspricht zudem nicht nur den Verabredungen der Koalition, sondern würde auch die Verfassung brechen.“

          Hintergrund für die Debatte um einen Industriestrompreis ist die Sorge, dass energieintensive Unternehmen wegen der hohen Energiepreise in Deutschland verstärkt in Amerika oder in China investieren. Einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer unter 5000 Unternehmen zufolge erscheint vor allem Nordamerika den Unternehmen derzeit attraktiv. Der Industriestrompreis ist dem Konzept zufolge als Übergangslösung geplant, bis genug Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wird, um die Preise wettbewerbsbasiert niedrig zu halten.

          Hohe Preise in den kommenden fünf Jahren

          Wie bei den Energiepreisbremsen auch sollen Unternehmen, die den Industriestrompreis in Anspruch nehmen, bestimmte Verpflichtungen einhalten. Die Rede ist von einer langfristigen Standortgarantie und, „soweit verfassungsrechtlich möglich“, Bezahlung der Mitarbeiter nach Tarif. Nach Angaben aus Wirtschaftsverbänden nehmen wegen solcher Klauseln aktuell nur sehr wenige große industrielle Unternehmen die Strompreisbremse in Anspruch. Wie viele genau, ist auch dem Wirtschaftsministerium nicht bekannt. Entsprechende Zahlen sollen Ende Mai vorliegen.

          Das Wirtschaftsministerium schreibt in seinem Konzept, eine staatliche Unterstützung für die energieintensive Industrie sei „in hohem Maße begründungspflichtig“. Zu den Kernargumenten gehöre, dass mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine „ein Strukturbruch“ entstanden sei. „Im Zeitraum der nächsten fünf Jahre liegen die Preise etwa doppelt so hoch wie in mittelfristigen Preisszenarien vor dem russischen Angriff auf die Ukraine“, heißt es. Zudem unterstützten auch die USA und China ihre Betriebe. Es gebe derzeit industriepolitisch kein „level playing field“, also keine fairen Wettbewerbsbedingungen für alle.

          Eine Finanzierung aus dem Klima- und Transformationsfonds hält das Ministerium nicht für möglich, weil dann andere Programme zur Dekarbonisierung der Industrie wie die Klimaschutzverträge und das Heizungsaustauschprogramm für Immobilien „nicht mehr zu finanzieren wären. Daher ist der WSF als Energiekriseninstrument das einzig realistische Mittel.“ Die Lösung über den WSF müsse verfassungsrechtlich sauber sein. Dies „erfordert zwingend neue parlamentarische Beschlüsse“, heißt es im Konzept weiter. Das heißt: Der Bundestag müsste dem also zustimmen.

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