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Gegen Fast Fashion : Brüssel sagt Billig-Klamotten den Kampf an

Der Klimawandel spielt auch bei Kleidung eine wichtige Rolle: Nachhaltige Produktion und neue Geschäftsmodelle sind nun gefragt. Bild: dpa

Die EU-Kommission will die Ökodesign-Richtlinie stark ausweiten und künftig auch Öko-Vorgaben für Baustoffe und Textilien machen. Mit Fast Fashion, also extrem billiger Kleidung, soll schon 2030 Schluss sein.

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          Seit Jahren macht die EU Mindestvorgaben für den Energieverbrauch von Fernsehern, Staubsaugern oder Waschmaschinen. Am bekanntesten sind nach wie vor die Vorgaben für Lampen, die zum viel beklagten Verbot der klassischen Glühbirne geführt haben. Für die EU-Kommission ist die Ökodesign-Richtlinie, die ihr die Erarbeitung der Mindestanforderungen erlaubt, ein großer Erfolg. Für 50 Produkte gibt es solche Vorgaben inzwischen. Insgesamt sind jährlich 3 Milliarden Waren betroffen. Die EU habe so Energie in Höhe des Verbrauchs von Polen gespart, rechnet die Kommission vor. Die Haushalte hätten im Jahr 120 Milliarden Euro an Energiekosten gespart, wenn man die hohen Preise von 2021 heranzieht. Zugleich habe die EU 26 Milliarden Kubikmeter weniger Gas verbraucht, ein Sechstel der russischen Gaseinfuhr.

          Hendrik Kafsack
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Aus Sicht der Behörde ist es deshalb nur logisch, weiterzumachen. Sie will in den kommenden Jahren nicht nur weitere Vorgaben für den Verbrauch von Energieprodukten machen, sondern die Ökodesign-Regeln auf beinahe alle Produkte ausweiten. „Das heißt nicht, dass wir auch für alle Produkte konkrete Vorgaben machen, aber wir schauen uns alle Produkte an“, heißt es in der Kommission. Zu der ersten Gruppe gehören etwa Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektroautos, zur zweiten Bauprodukte oder Textilien. Die F.A.Z. hatte schon Anfang März über die Pläne berichtet.

          Der Gesetzesvorschlag sieht außerdem vor, dass die Kommission nicht nur Vorgaben für den Verbrauch von Energie und Ressourcen macht, sondern auch für andere Nachhaltigkeitskriterien von der Reparierbarkeit, der Haltbarkeit, der Wiederverwertbarkeit und dem Anteil recycelter Vorprodukte über gefährliche Inhaltsstoffe wie bestimmte Chemikalien bis hin zum CO2-Fußabdruck.

          Digitaler Produktpass im Gespräch

          Sie könnte etwa Vorgaben für die Konstruktion von Geräten erarbeiten, damit Rohstoffe leicht wiedergewonnen und die Geräte leicht auseinandergebaut und repariert werden können. Auch Vorgaben dazu, wie lange ein Software-Anbieter Updates bereitstellen müssen, seien denkbar, heißt es in der Kommission. Ein digitaler Produktpass soll Informationen darüber bereitstellen, aus welchen Stoffen ein Produkt besteht und wie gut es wiederverwertet werden kann.

          Die Kommission verkauft das auch als Initiative, um sich unabhängiger von der Rohstoff-Einfuhr zu machen. Ein zentraler Aspekt ist, die Lebensdauer viele Produkte zu erhöhen. Viele Produkte hielten heute nicht solange wie in der Vergangenheit, dafür gebe es klarer Belege, heißt es in der Kommission.

          Einen besonderen Schwerpunkt legt die Kommission auf Textilien. Textilien stünden in der Liste der Produkte mit dem höchsten CO2-Ausstoß auf Rang 4. Nur 1 Prozent werde recycelt, jede Sekunde werde eine Lasterladung in Müllverbrennungsanlagen vernichtet, argumentiert die Kommission. Der Trend zu „Fast Fashion“, sprich wenig getragenen Wegwerftextilien, verschärfe das noch. Die Kommission will deshalb sicherstellen, dass 2030 nur noch hochwertige, wiederverwertbare, unter fairen sozialen und ohne Umweltverschmutzung hergestellte Textilien in der EU verkauft werden.

          Hoher CO2-Ausstoß der Modeindustrie

          „Fast Fashion ist Out of Fashion“, lautet das Ziel. Dafür setzt sie auf verlässliche Label, aber auch Exportverbote für Alttextilien und eben Mindestqualitätsanforderungen an Kleidungsstücke. Die Kommission will auch die Verwendung von Mikroplastik in Textilien verringern und ihre Wiederverwertbarkeit dadurch erhöhen, dass weniger verschiedene Fasern gemischt werden.

          Die Europaabgeordnete Delara Burkhardt begrüßt das. „Die Modeindustrie verantwortet so viel CO2-Ausstoß wie alle internationalen Flüge und Schifffahrt zusammen“, sagt sie. „Wir haben jetzt die Chance zu entscheiden, ob nachhaltige Kleidung nur ein Lebensstil für eine bestimmte Gruppe von Menschen sein wird, oder ob sie zur Normalität wird.“

          Das Gesetz verschafft der Kommission enorme Gestaltungsmacht. Das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten kann ihre Vorschläge zwar prüfen und ablehnen. Da es sich wie bei den umstrittenen Vorschlägen zur Taxonomie aber um sogenannte delegierte Rechtsakte handelt, wäre die Hürde dafür hoch. Auch auf die Kritik an der Praxis von Unternehmen wie Amazon, zurückgeschickte oder unverkaufte Neuwaren zu zerstören, geht der Vorschlag ein.

          Die Kommission will die Unternehmen zunächst allerdings nur verpflichten, Informationen darüber bereitzustellen, wie viele und welche Produkte sie in einem Jahr zerstören. Das werde sie von der Zerstörung neuer Produkte abhalten, hofft die Kommission. Wenn das nicht ausreicht, erlaubt ihr der Gesetzentwurf aber auch die Vernichtung unverkaufter Ware, allen voran auch hier von unverkauften Textilien, zu verbieten.

          Die Ausweitung der Ökodesign-Regeln von Energieprodukten auf alle anderen Produkte muss noch vom Europaparlament und den Mitgliedstaaten angenommen werden, damit sie in Kraft treten kann. Im Europaparlament stößt der Vorstoß ebenso auf Zustimmung wie Klimaschützern. „Unser westlicher Lebensstil mit seiner endlosen Sucht nach neuen Produkten sowie unserer Einwegmentalität ist eine der größten Bedrohungen für unsere Gesellschaft. Es ist mehr als klar, dass wir viel weniger konsumieren und viel intelligenter produzieren müssen“, sagt die dänische Grüne Margrete Auken.

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