Pläne zur Atomkraft : Grüne kritisieren Greenwashing der EU-Kommission
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Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) Bild: EPA
Die Pläne der EU-Kommission, Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Technologien einzustufen, stoßen bei Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf Ablehnung. Österreich droht sogar mit einer Klage.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) lehnt das Vorhaben der EU-Kommission ab, die Energiegewinnung aus Atomanlagen als nachhaltig einzustufen. „Ich halte es für absolut falsch, dass die Europäische Kommission beabsichtigt, Atomkraft in die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen“, sagte Lemke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Energieform, die zu „verheerenden Umweltkatastrophen“ führen könne und große Mengen an gefährlichen hochradioaktiven Abfällen hinterlasse, „kann nicht nachhaltig sein“.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich ablehnend zu den Plänen der EU-Kommission. „Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit“, sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. „Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht. Eine Zustimmung zu denen neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht“, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister.
Habeck bemängelte, Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, sei „bei dieser Hochrisikotechnologie falsch“. Dies verstelle den Blick auf die langfristigen Auswirkungen des Atommülls für Mensch und Umwelt. Harte Sicherheitskriterien seien zudem nicht vorgesehen. „Das ist mehr als bedenklich“, sagte Habeck. „Es ist ohnehin fraglich, ob dieses Greenwashing überhaupt auf dem Finanzmarkt Akzeptanz findet.“ Die Bundesregierung werde den Kommissionsentwurf auf seine Auswirkungen hin bewerten.
Auch bei der Regierung in Österreich stoßen die Pläne auf entschiedenen Widerstand. „Die EU-Kommission hat gestern in einer Nacht- und Nebelaktion einen Schritt in Richtung Greenwashing von Atomkraft und fossilem Gas gemacht“, kritisierte die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Samstag in Wien. Die Grünen-Politikerin drohte mit einer Klage, sollten die beiden Energiequellen in die sogenannte Taxonomie der EU aufgenommen werden.
„Alleine der Zeitpunkt der Veröffentlichung zeigt schon, dass offensichtlich auch die EU-Kommission selbst nicht überzeugt von ihrer Entscheidung ist“, erklärte Gewessler. „Für Österreich ist aber ganz klar: Weder die Atomkraft noch das Verbrennen von fossilem Erdgas haben in der Taxonomie etwas verloren.“ Schließlich seien diese Energiequellen „klima- und umweltschädlich und zerstören die Zukunft unserer Kinder“.
Gewessler kündigte an, die Regierung in Wien werde den Text „in den kommenden Tagen genau prüfen“. Sie hat demnach bereits ein umfassendes Rechtsgutachten von der renommierten Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs zur Atomkraft in der Taxonomie in Auftrag gegeben. „Damit im Gepäck werden wir auch nicht davor zurückschrecken, rechtlich gegen die geplante Taxonomieverordnung vorzugehen“, versicherte die Ministerin.
Zeit bis zum 12. Januar
Die EU-Kommission hatte am Neujahrstag einen Entwurf für Nachhaltigkeitskriterien bei Investitionen vorgelegt. Demnach sollen Investitionen in neue Akw dann als grün klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neusten technischen Standards entsprechen und wenn ein konkreter Plan für den Betrieb einer Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle ab spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem ist als eine weitere Bedingung vorgesehen, dass die neuen atomtechnischen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten.
Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen übergangsweise unter strengen Voraussetzungen ebenfalls als grün eingestuft werden können. Dabei soll zum Beispiel relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestoßen werden. Für Anlagen, die nach dem 31. Dezember 2030 genehmigt werden, wären dem Vorschlag zufolge nur noch bis zu 100 Gramm sogenannte CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde Energie erlaubt – gerechnet auf den Lebenszyklus.
Die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten durch die EU-Kommission soll Anleger in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen und so wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. Ob Gas und Atomkraft als Teil der sogenannten Taxonomie als klimafreundlich gelten sollten, ist unter den EU-Staaten jedoch stark umstritten.
Für Länder wie Frankreich ist die Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft. Deutschland hingegen ist gegen eine Aufnahme von Kernkraft, sieht allerdings die Stromerzeugung aus Gas als notwendige Übergangstechnologie hin zur Klimaneutralität.
Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 12. Januar Zeit, den am späten Freitagabend von der EU-Kommission verschickten Entwurf des Rechtsaktes zu kommentieren. Eine Umsetzung kann nur verhindert werden, wenn sich eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen ausspricht. Demnach müssten sich mindestens 15 EU-Länder zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten.