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Vorgaben für EU-Staaten : Brüssel pocht auf Sanierungszwang für Altbauten

  • -Aktualisiert am

Berliner Altbau Bild: Matthias Luedecke

Die EU-Kommission will die Energieeffizienz von Altbauten bis 2030 spürbar erhöhen. Sie verkauft das als Programm für sozial schwache Haushalte.

          3 Min.

          Ohne die grundlegende Sanierung des Gebäudebestands kann die EU ihre Klimaziele nicht erreichen. Schließlich werden die meisten der mehr als 200 Millionen Immobilien in der Europäischen Union auch 2050 noch stehen, wenn die Gemeinschaft klimaneutral sein will. 40 Prozent des Energiebedarfs in Europa entfallen auf Gebäude. Sie verursachen vor allem für das Heizen und Warmwasser rund ein Drittel der Treibhausgase. Zugleich ist die Energiebilanz von Altbauten oft schlecht. 85 Prozent sind vor dem Jahr 2000 gebaut worden. Drei Viertel aller Gebäude fallen in die schlechtesten Energieeffizienzklassen. In Deutschland wurden mehr als 60 Prozent der Wohngebäude vor der Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung Ende der Siebzigerjahre gebaut.

          Hendrik Kafsack
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Die Politik in Brüssel und Berlin forciert deshalb die energetische Sanierung von Gebäuden. Schon im vergangenen Jahr hat die Europäische Kommission das Ziel ausgerufen, in der EU 35 Millionen Gebäude bis 2030 grundlegend zu sanieren. Am Mittwoch nun hat sie konkrete Vorschläge dafür vorgelegt, wie die EU das Ziel erreichen soll. Sie will damit die Mitgliedstaaten verpflichten, den Altbestand in zwei Schritten von der Effizienzklasse G auf E zu heben. Für öffentliche Gebäude und andere Nichtwohngebäude soll von 2027 an F der Mindeststandard sein, von 2030 an E. Für Wohngebäude soll beides dann jeweils drei Jahre später greifen.

          Zunächst sollen die EU-Staaten alle alten Gebäude allerdings neu einstufen, sodass die schlechtesten 15 Prozent in die Effizienzklasse G fallen. Bezugspunkt bleibt damit der nationale Rahmen. Einheitliche Effizienzstandards für die gesamte EU sieht der Vorschlag der Kommission nicht vor.

          Finanziert sich die Sanierung von selbst?

          Der endgültige Kommissionsvorschlag ist damit längst nicht so ehrgeizig wie ein vorab durchgesickerter Entwurf, über den die F.A.Z. vorab berichtet hatte. Der hatte sehr viel ehrgeizigere Ziele vorgegeben. Auch soll nun den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, wie sie die neuen Mindeststandards erreichen. Es gibt somit keinerlei Verknüpfung mehr mit dem Verkauf oder der Neuvermietung von Immobilien. Dieser Ansatz war allen voran in Italien auf heftige Kritik gestoßen. EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans betonte, der Vorschlag enteigne niemanden, der sein Haus nicht saniere. In der Verantwortung seien die Staaten. Sie könnten die Sanierung auch finanziell fördern. Die Beihilferegeln der EU würden entsprechend angepasst.

          So oder so sei die Sanierung keine Gefahr, sondern eine Chance für Millionen von Europäern, die momentan wegen der schlechten Energieeffizienz ihrer Häuser zu hohe Energiekosten hätten. Es seien in der Regel die ärmsten Haushalte, die in der EU in den am schlechtesten isolierten Gebäuden wohnen müssten. „Letztlich finanziert sich die Sanierung damit von selbst“, sagte Timmermans.

          Ampel plant ehrgeizige Vorgaben

          Auch die Vorgaben für Neubauten werden mit dem Kommissionsvorschlag verschärft. Sie müssen nun höhere Standards erfüllen, um wie für 2030 vorgeschrieben als klimaneutral zu gelten. Die Förderung von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungen wird von 2027 an verboten. Bevor damit die neuen EU-Regeln in Kraft treten können, müssen ihnen das Europaparlament und der EU-Ministerrat zustimmen.

          Auf die Unterstützung der Bundesregierung dürfte die Kommission dabei zählen können. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag bereits eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um die CO2-Emissionen zu senken. Von 2025 an soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Nach heutigem Stand der Technik kämen dann nur noch Wärmepumpen infrage, die mit Ökostrom betrieben werden. Für Bewohner von Altbauten mit hohen Vorlauftemperaturen könnte das teuer werden. Schon von 2024 an soll für „wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden“ der KfW-Effizienzstandard 70 gelten – zumindest für die betreffenden Teile.

          Das Effizienzklassen-System der staatlichen Förderbank ist in Deutschland der Gradmesser für den Klimaschutz im Gebäudebereich. Der Standard 70 besagt, dass der Energieverbrauch 70 Prozent von dem des Standardhauses beträgt, das auf Basis der früheren Energieeinsparverordnung (EnEV) definiert wurde. Um bislang zurückhaltende Immobilieneigentümer zum Sanieren zu bewegen, will die neue Regierung die Einführung einer Teilwarmmiete prüfen. Die Kosten für das Erreichen einer bestimmten Raumtemperatur würden dann die Vermieter zahlen, alles darüber hinaus die Mieter. Der Aufbau eines „digitalen Gebäudeenergiekatasters“ soll Bund und Länder einen Überblick darüber verschaffen, auf welchem Stand die Gebäude sind. Bislang ist die Datenlage dürftig.

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