Atom-Vorschlag erntet Kritik : Eine Abkehr vom „wissenschaftsbasierten Weg“
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Das Atomkraftwerk im französischen Dampierre-en-Burly Bild: Reuters
Die EU-Kommission will Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter Auflagen als klimafreundlich einstufen. Nicht nur der WWF übt scharfe Kritik.
Die Umweltschutzorganisation WWF hat den Vorschlag der EU-Kommission, Atomenergie unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen, scharf kritisiert. „Augen zu und durch, das scheint das Motto der EU-Kommission bei Atomkraft und Erdgas zu sein“, kommentierte Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, am Sonntag in Berlin.
Auch die Linke im Bundestag übt Kritik. Sie hat die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit Österreich juristisch gegen die Pläne vorzugehen. „Deutschland sollte den Klageweg Österreichs gegen die Einstufung der Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich unterstützen“, sagte der Europaexperte der Fraktion, Andrej Hunko, am Sonntag in Berlin. „Eine einfache Nicht-Zustimmung im EU-Rat reicht nicht und würde den Kommissionsvorschlag de facto durchwinken, weil dort eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist, die aktuell nicht erreichbar ist.“
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch hatte der dpa gesagt: „Deutschland sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um auf europäischer Ebene eine Förderung dieser Technologie zu verhindern.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Vortag ebenfalls der Deutschen Presse-Agentur gesagt: „Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht.“
Die EU-Kommission will Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter Auflagen als klimafreundlich einstufen. Das geht aus dem Entwurf für einen Rechtsakt der Brüsseler Behörde hervor, der am Neujahrstag öffentlich wurde. Konkret sieht der Vorschlag vor, dass vor allem in Frankreich geplante Investitionen in neue AKW als grün klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird. Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte auf Twitter angekündigt: „Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, werden wir klagen.“
Nach monatelangen Verzögerungen habe die Kommission den Expertengruppen der Mitgliedsstaaten nur acht Arbeitstage Zeit gegeben, um auf den entsprechenden Entwurf einzugehen, kritisierte WWF-Experte Matthias Kopp. Wissenschaftler, Bürger und Finanzinstitutionen seien von der „Mini-Konsultation“ ausgeschlossen. Die EU-Kommission wisse, dass sie „den wissenschaftsbasierten Weg verlässt“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verspiele mit dem Vorgehen Vertrauen und gefährde so ihren eigenen „Green Deal“ für nachhaltiges Wachstum in der Europäischen Union.
Salvini will nun wieder Atomkraftwerke bauen
Italien hat derweil begonnen über eine Rückkehr zur Kernkraft zu debattieren. Matteo Salvini von der rechten Lega begrüßte die Neuigkeiten aus Brüssel und will in Italien wieder Atomkraftwerke bauen. Das Land dürfe nun nicht stehen bleiben, twitterte der Politiker am Wochenende: „Die Lega ist bereit, Unterschriften für ein Referendum zu sammeln, das unser Land in eine Zukunft führt, die energetisch unabhängig, sicher und sauber ist.“
Italien war bereits nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Ende der 1980er Jahre aus der Kernenergie ausgestiegen. Das Land bezieht einen Teil seines Stroms aus dem Ausland, da kann Atomstrom dabei sein. Bei einem Referendum 2011 wurde eine Rückkehr zur Atomenergie abgelehnt. Andere Parteien wie die Fünf Sterne, die wie die Lega in der Vielparteienregierung sind, lehnen Atomkraft ab.