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Wirtschaftsforschung : Schularick wird Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft

Der neue Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel: Moritz Schularick Bild: privat

Der Ökonom übernimmt das Institut, das länger interimistisch geführt wurde. Schularick hat sich mit wirtschaftshistorischen Arbeiten und pointierten Debattenbeiträgen einen Namen gemacht und dürfte ambitionierte Ziele haben.

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          Der Bonner Ökonom Moritz Schularick wird neuer Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Damit endet eine fast zwei Jahre andauernde Hängepartie, in der das traditionsreiche Institut nur interimistisch geführt wurde. Schularick, Jahrgang 1975, ist derzeit an den Universitäten Bonn und Paris tätig und durch wirtschaftshistorische Arbeiten bekannt geworden. Er hat sich in den vergangenen Jahren aber auch stark in tagesaktuelle Debatten rund um die Pandemiebekämpfung und mögliche Sanktionen gegen Russland eingemischt. Das Institut hat die Personalie, über die schon länger spekuliert wurde, am Donnerstag bekannt gegeben.

          Johannes Pennekamp
          Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung.

          Die Neubesetzung des mehr als 100 Jahre alten Instituts in Kiel war notwendig geworden, da der frühere Präsident Gabriel Felbermayr seinen Vertrag an der Förde im Frühjahr 2021 nach nur zwei Jahren vorzeitig aufgelöst hatte, um eine Institutsleitung in seiner österreichischen Heimat zu übernehmen. Der Handelsökonom Holger Görg und der Konjunkturfachmann Stefan Kooths führen das Institut seither interimistisch.

          Lange Nachfolge-Suche

          Mit Schularick, der in Kiel schon länger als Favorit galt, versucht das Institut nun wieder, kontinuierlicher an frühere Zeiten anzuknüpfen. Das IfW, das seine Grundfinanzierung vom Bund und dem Land Schleswig-Holstein erhält, galt besonders in den Siebziger- und Achtzigerjahren unter seinem Präsidenten Herbert Giersch als Topadresse für alle Fragen rund um Handelspolitik und Globalisierung.

          Giersch gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Sachverständigenrates und war präsent als Politikberater und in den Medien. Unter Dennis Snower, der das Institut von 2004 bis 2019 führte, verlor das Institut an Strahlkraft und Profil. Mit Felbermayrs Berufung, der als meinungsstarker Marktwirtschaftler auftritt, gab es wieder Aufwind in Kiel – der allerdings mit dessen unerwartetem Abgang nachließ.

          Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin gestaltete sich langwierig. Da keines der Leibniz-Institute, die sich auf Wirtschaftsforschung konzentrieren (unter anderem Ifo, DIW, RWI) von einer Frau geführt wird, wurde über eine IfW-Präsidentin spekuliert. Ende vergangenen Jahres wurde dann aber Schularick auf eine Professur an die Universität Kiel berufen, die mit der Präsidentschaft an dem Institut verbunden ist. Nach weiteren Wochen der Bedenk- und Verhandlungszeit hat Schularick nun zugesagt.

          Schularick gehört zu den international gut vernetzen deutschen Ökonomen. Bekannt geworden ist er mit Arbeiten, in denen er Daten aus den vergangenen Jahrhunderten auswertete, in denen er Zusammenhänge zwischen Geldpolitik, Krediten und Finanzkrisen identifizierte. Zuletzt veröffentlichte er eine Arbeit, in der er zeigte, dass großzügige Hilfen der Zentralbanken in Finanzkrisen einer angeschlagenen Wirtschaft helfen, sie aber zugleich zu erheblichem Missbrauch einladen. Im vergangenen Jahr gehörte der 47-Jährige zu einer Gruppe von Ökonomen, die im Frühjahr die möglichen Folgen eines deutschen Gasembargos gegen Russland berechneten und diese insgesamt für verkraftbar hielten.

          Während der Pandemie veröffentlichte er das Buch „Der entzauberte Staat“, in dem er der Regierung und der Bürokratie ein zu zögerliches und risikoarmes Handeln attestierte. Passend zur Aufgabe am IfW hat sich der Forscher aber auch mit internationalen Fragen und der Geschichte der Globalisierung auseinandergesetzt.

          Schularick gibt für die Institutspräsidentschaft seinen Posten in Bonn auf. Es ist davon auszugehen, dass der ambitionierte Forscher sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht hat, er die Forschungsleistung und die Profilierung des Instituts schärfen will und in den Verhandlungen auf eine entsprechende finanzielle Ausstattung gepocht hat. Als Institutsleiter wird er ähnlich wie Clemens Fuest (Ifo) und Marcel Fratzscher (DIW) vermehrt in der Öffentlichkeit stehen und dadurch womöglich als politischer Berater eine größere Rolle spielen als bisher.

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