Karrieresprung : Weiterbildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Allüberall wird der Wert des lebenslangen Lernens betont. Doch in der realen Gestaltung klafft eine breite Lücke. Immer seltener nehmen Arbeitnehmer Bildungsurlaub in Anspruch. Jetzt setzt die Regierung auf eine neue Bildungsprämie.
Die Urlaubszeit steht vor der Tür. Und pünktlich dazu schlägt die norddeutsche Industrie und Handelskammer Alarm. Der Bildungsurlaub soll reformiert werden, so ihre Forderung. Zu viel Missbrauch würde damit getrieben, zu viele Angebote mit eindeutigem Sport- und Freizeitcharakter - etwa Flüsse erkunden mit dem Paddelboot oder Besuche der Arena „Auf Schalke“ - landeten auf den Schreibtischen der von ihr vertretenen 650.000 norddeutschen Unternehmen.
Die bis zu zehn Tage, die innerhalb von zwei Jahren für Bildungsurlaub frei genommen werden können, sollten künftig auf fünf Tage begrenzt werden, die Arbeitnehmer für die Hälfte der Kursdauer ihre freien Tage einbringen. Zudem soll in Betrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern eine betriebliche Weiterbildung auf den Bildungsurlaub angerechnet werden können, so die Forderungen der IHK Nord.
Privatvergnügen Weiterbildung
Neu ist das Ansinnen nicht, während der schönsten Wochen des Jahres englische Vokabeln oder neue Bilanzierungsregeln zu pauken oder sich in Excel fit zu machen, statt faul am Strand zu liegen. So sorgte die von DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben im letztjährigen Sommerloch vorgetragene Forderung, die deutschen Arbeitnehmer sollten mehr Ferien- und Freizeit in ihre Weiterbildung investieren für reichlich Schlagzeilen und heftigen Schlagabtausch. Weiterbildung sei „kein Privatvergnügen“ konterte etwa SPD-Bildungsexpertin Ulla Burchard. Die Zahlen belegen allerdings etwas anderes. Die Kosten für ihre Weiterbildung tragen die Arbeitnehmer immer öfter selbst. „Wie auch in den sozialen Sicherungssystemen wird die Finanzierung zunehmend Privatsache“, stellt das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in seiner Trendanalyse 2008 fest.
Auf knapp 40 Prozent, mithin 13,9 Milliarden Euro, schätzt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) den Anteil der privaten Haushalte an den insgesamt 35 Milliarden Euro, die jährlich für berufliche Qualifizierungsmaßnahmen ausgegeben werden. Nach Berechnungen des DIE tragen seit 2002 die Individuen vor den Betrieben die größte Ausgabenlast. Rechnet man allerdings die indirekten Kosten wie Lohnfortzahlungen hinzu, sind die Betriebe nach wie vor Spitzenreiter bei der Weiterbildungsfinanzierung. Nur: Während die individuelle Ausgaben- und Bildungsbereitschaft steigt - so nahmen nach einer Repräsentativerhebung des Bundesbildungsministeriums in 2007 mit 43 Prozent zwei Prozent mehr Menschen an Weiterbildungsmaßnahmen teil als in 2003 - geht das Engagement der Betriebe zurück.
Engagement der Betriebe rückläufig
Deutlich macht dies die dritte europäische Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (Continuing Vocational Training Survey - CVTS 3). Lehrgänge, Seminare und andere Maßnahmen gab es im Jahr 2005 nur noch in 69 Prozent der Betriebe, ein Rückgang von 6 Prozent gegenüber der letzten Erhebung im Jahr 1999. Wurden damals noch 32 von 100 Arbeitnehmern von ihren Unternehmen weitergebildet, waren es 2005 nur noch 30. Gespart wurde auch bei den Ausgaben. Um knapp ein Viertel auf 237 Euro je Beschäftigten sanken die direkten Kosten für Weiterbildungskurse bei unveränderter Zahl der durchschnittlichen Weiterbildungsstunden gegenüber dem Vergleichsjahr.