Karrieresprung : "Die Gründerszene ist professioneller geworden"
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Karriere machen als Unternehmensgründer ist nicht mehr so leicht wie vor fünf Jahren. Aber eine Ausbildung, die das unternehmerische Denken fördert, gewinnt zunehmend an Bedeutung, sagt Malte Brettel, Professor an der RWTH Aachen.
Karriere machen als Unternehmensgründer: Das ist heute nicht mehr so leicht wie noch vor etwa fünf Jahren. Aber eine Ausbildung, die das unternehmerische Denken fördert, gewinnt zunehmend an Bedeutung in allen Bereichen der Wirtschaft, sagt Malte Brettel, Professor für Wirtschaftswissenschaften für Ingenieure und Naturwissenschaftler an der RWTH Aachen. An der Handelshochschule in Leipzig vertrat Brettel den Lehrstuhl für Internationales Management und war Lehrbeauftragter für Entrepreneurship.
Herr Brettel, die Zeiten für Unternehmensgründer waren sicher schon einmal besser. In welchen Branchen kann man heute noch Karriere machen und unternehmerisch erfolgreich sein?
Generell kann man mit einer entsprechend brillanten Idee noch immer in allen Bereichen erfolgreich sein, aber sicher gibt es einige Branchen, in denen das leichter fällt.
Welche wären das?
Allgemein kann man sagen, daß es der Hochtechnologiesektor ist und wenn hinter den Ideen auch gute Patente stehen. So läßt sich im Segment Life-Science und der Medizintechnik erfolgreiche Gründungstätigkeit beobachten.
Was hat sich in den letzten fünf Jahren in der Gründerszene geändert?
Vieles ist professioneller geworden. Es werden nicht mehr so viele einfache Fehler gemacht. Die Evaluation einer Geschäftsidee vor der Gründung hat sich ganz sicher verbessert. Auch bei der Umsetzung von Ideen geht man heute viel systematischer vor. Und noch ein Drittes: Die Hilfestellungen für Gründer haben sich verbessert.
Welche sind das?
Es gibt viele gute Technologie-Zentren, die das Gründen erleichtern. Es gibt eine namhafte Zahl von kommunalen Initiativen für Gründer. Außerdem darf man die vielen Lehrstühle für Unternehmertum und das, was sich an Aktivitäten um solche Lehrstühle bildet, in ihrer Wirkung nicht unterschätzen.
Was lernen Studenten Nützliches bei Ihnen, was ihnen auch ohne eine Gründung im normalen Berufsleben hilfreich sein kann?
Das läßt sich vereinfacht unter zwei Begriffe fassen: vernetztes Denken und unternehmerisches Handeln.
Was heißt das konkret?
Die Studenten müssen lernen, in Abhängigkeiten zu denken. Ein Beispiel: Sie wollen mehr Marketing betreiben, dafür brauchen sie ein größeres Budget, dieses wiederum müssen sie sinnvoll in ihren Finanzierungsplan integrieren. Gesetzt der verstärkte Marketingaufwand lohnt sich: Wie bewältigen sie die vermehrten Aufträge? Wie passen sie ihre Produktion, ihre Belegschaft den neuen Erfordernissen an? Kurz: Wie bewältigen sie das Wachstum? Dieses Denken in Zusammenhängen über die engen Bereichsgrenzen hinaus versuchen wir, in Vorlesungen und Planspielen zu lehren.
Unternehmerisch zu handeln, bedeutet zunächst, ein Verständnis dafür zu entwickeln, daß ein Bereich sich selbst organisieren und selbständig erhalten muß. Es bedeutet darüber hinaus, die zu diesem Zweck notwendigen Maßnahmen zu kennen und umsetzen zu können.
Wo können die Studenten diese Kenntnisse im Berufsleben anwenden, wenn sie nicht Chef ihres eigenen Unternehmens werden?
Gerade in größeren Unternehmen und in Konzernen hat das Unternehmertum in den letzten Jahre in viele Bereiche Einzug gehalten. Für die Leitungsebene ist es zunehmend von Bedeutung, daß sich die untergeordneten Einheiten weitgehend selbst organisieren und tragen.
Es muß auf allen Ebenen Leute geben, die ihren Bereich in seiner ganzen Komplexität erfassen und lenken können. Dazu bedarf es sowohl des vernetzten Denkens als auch des Vermögens zu unternehmerischem Handeln.
Das Risiko, mit einer Unternehmensgründung zu scheitern, ist nicht gering. Schadet man mit einem solchen Scheitern nicht seinen Karrierechancen bei einem anderen Arbeitgeber?
Sicher gibt es diese Auffassungen. Sie treffen auf Menschen, die denken, da kommt schon wieder so ein gescheiterter Gründer, der es nicht geschafft hat, und jetzt will er bei uns unterkommen. Es gibt aber auch diejenigen, die sagen, es ist egal, ob man Erfolg mit seiner Gründung hat oder nicht, entscheidend ist die Persönlichkeit und der Erfahrungsschatz, der durch eine eigene Gründung enorm bereichert werden kann.
Ich denke, man muß grundsätzlich unterscheiden, ob eine Person zum Gründer wurde, weil es die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit war oder ob die Gründung geschah, weil einer die Dinge selbst gestalten wollte, weil er von seiner Idee und seinem Können überzeugt war und Verantwortung übernehmen wollte. Die Frage, ob die Gründung dann erfolgreich, ist dann nicht mehr von so großer Bedeutung.