Gesundheitsminister : Blinkt Jens Spahn auf einmal links?
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Jens Spahn im Kanzleramt Bild: dpa
Masernimpfung, Notfallkrankenhäuser, Kassenbeiträge: Endlich kümmert sich der CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn um Gesundheitspolitik – und übernimmt Positionen der SPD.
Für ihre Verhältnisse war die Bundeskanzlerin recht deutlich geworden, neulich, als sich das frisch ernannte Kabinett zum Kennenlernen im brandenburgischen Schlösschen Meseberg traf. „Ich denke, dass die Minister ja nicht nur eine Aufgabe haben, sondern mehrere gleichzeitig“, äußerte sie auf die Frage, ob einige Kollegen zu viel Zeit auf fachfremde Sperenzchen verwendeten. „So hat eigentlich jeder sein Päckchen zu tragen.“ Besinnungsaufsätze über die Armutsfrage in Deutschland zu schreiben, sollte das heißen, ist leicht. Einen Gesetzentwurf durchs Geflecht von Interessengruppen und Parteikonflikten zu bugsieren ist hingegen schwer – und deshalb die eigentliche Bewährungsprobe für Leute mit Ambition auf Höheres.
Das ging gegen Jens Spahn, den 37-jährigen Westfalen, der von seinen Getreuen schon als künftiger Kanzler gehandelt und mit kräftigem Druck ins Kabinett bugsiert wurde, auch wenn dort bloß noch das Gesundheitsressort zu vergeben war. Das schien ihn nicht sonderlich zu stören. Er redete weiter über Arbeitslose (zuständig: Hubertus Heil, SPD) oder über Flüchtlinge (zuständig: Horst Seehofer, CSU). Als die Republik über den Ausschluss Nichtdeutscher von der Essener Tafel debattierte, verwies er Flüchtlinge wie Einheimische auf den deutschen Sozialstaat: Hartz IV, befand er, sei keine Armut. Das gab natürlich mächtig Rummel.
Klöckner lenkt erfolgreich von Glyphosat ab
In der eigenen Partei kam das, flügelübergreifend, nicht gut an. Wohlwollender schauten die Leute hingegen auf Julia Klöckner, die zweite Aufsteigerin im Kabinett. Die 45-Jährige machte vor, wie man auch in einem vergleichsweise drögen Ressort wie der Landwirtschaft punkten kann, ohne in fremden Gefilden zu wildern. Nicht allein, dass sie per Pressemitteilung die Spargelsaison begrüßte. „Die Biene ist systemrelevant“, erläuterte sie gleich bei Amtsantritt. „Was der Biene schadet, muss vom Markt.“
Am Anfang lachten manche Leute noch. Das legte sich, als sich die Popularität des Themas zeigte – und Klöckner damit Politik machte: Am Freitag setzte sie tatsächlich einen EU-Beschluss durch, den Einsatz von Neonikotinoiden einzuschränken, einer Gruppe von Chemikalien, die Pflanzen vor Insekten schützen sollen. „Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa“, ließ sie stolz wissen. Damit bekam sie sogar den Beifall der Grünen, und sie lenkte erfolgreich von dem politisch viel brisanteren Streit um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ab.
Beitragsparität war eigentlich eine Idee der SPD
Merkels Mahnung und Klöckners Coup hat sich der allseits flexible Spahn jetzt offenbar zu Herzen genommen. Schon seit mindestens einer Woche redet er zur großen Verwunderung des gesamten Berliner Politikbetriebs über nichts anderes mehr als über Gesundheit. Erst rief er zu mehr Engagement bei der Masernimpfung auf, das war sozusagen sein Spargel-Erlebnis. In einer Talkshow erläuterte er, es sei okay, seine alten Eltern nicht selbst zu pflegen. Er kündigte an, die Zahl der Notfallkrankenhäuser in Deutschland drastisch zu reduzieren und Leute mit Herzinfarkt oder Schlaganfall nur noch in solche Häuser einzuliefern, die sich mit der Akutbehandlung auch wirklich auskennen.