Impfstoff-Verteilung : Zum Jahresende noch ein Deutschland-Bashing
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Italiens Regierungschef Giuseppe Conte Bild: EPA
Italiens Ministerpräsident Conte heizt die antideutsche Polemik an: Es geht um 30 Millionen Impfdosen, die die Bundesregierung gekauft hat – aus italienischer Sicht eine Verletzung der europäischen Vereinbarung.
Mit einem einzigen Satz hat Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte antideutsche Polemik um den Kauf von Impfstoffen angefacht. Die hatten bisher vor allem rechte Medien und Politiker erzeugt, mit bissigen Berichten über den Kauf von 30 Millionen Impfdosen von Biontech und seinem Partner Pfizer durch die deutsche Bundesregierung. „Berlin betrügt die EU, pfeift auf den Pakt und kauft den Deutschen 30 Millionen Impfdosen“, schrieb etwa die rechte Zeitung „La Verità“.
Im gleichen Spektrum ist auch das Blatt „Libero“ angesiedelt, das am Dienstag titelte: „Berlin legt uns rein“, und zudem eine Fotomontage abbildete mit dem Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz und dem ins Tor montierten Titel „Der Impfstoff macht frei“. Unter dieser Fotomontage stand zwar ein Artikel über Impfverweigerer, doch korrespondierte die Illustration auch mit der gegenüberliegenden Seite über die angeblichen deutschen Gemeinheiten.
Die seit Tagen im rechten Lager angeheizte Polemik inspirierte schließlich auch Roms Lokalzeitung „Messaggero“ zu einem kriegerischen Einstieg in den Kommentar auf der ersten Seite: „Angela Merkel schnappt sich mit einem Blitzkrieg zusätzliche 30 Millionen Impfdosen“.
Europäische Abmachungen verletzt?
Von den italienischen Kritikern wird Deutschlands Regierung vorgeworfen, sie habe die Abmachungen verletzt, denen zufolge die Impfstoffe gegen das Coronavirus gemeinsam über die Europäische Union erworben werden sollen. Weil die Initiative für den gemeinsamen Einkauf von Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und dann auch Italien ausging, wird den Deutschen auch noch Scheinheiligkeit unterstellt.
Diesen Interpretationen hat sich der italienische Ministerpräsident nun bei seiner offiziellen Pressekonferenz zum Jahresende angeschlossen. Er hatte dazu keine polemischen Töne nötig. Der Juraprofessor Giuseppe Conte weiß, wie man beißende Kritik mit nüchternen Worten zuspitzt. Gefragt zum Verhalten Deutschlands, sagte der Ministerpräsident, es sei eine gemeinsame Entscheidung gewesen, sich bei der Versorgung mit Impfstoffen auf der Ebene der EU zusammenzutun. Italien bekomme schon Hunderte Millionen Impfdosen über die EU und werde überzählige Impfstoffe ärmeren Ländern zur Verfügung stellen. Auf eigene Faust habe Italien nichts bestellt. „Italien hat das nicht getan, weil der Artikel 7 des Vertrages das Verbot enthält, sich auf direktem Weg zu versorgen. Punkt“.
Aus deutscher Sicht hat der italienische Ministerpräsident dabei wissentlich eine Halbwahrheit erzählt. Am Mittwochmorgen, offenbar vor der Pressekonferenz, hatte sein Gesundheitsminister Roberto Speranza noch den deutschen Ministerkollegen Jens Spahn (CDU) angerufen und ihn zur Rede gestellt. Spahn erklärte seine Haltung kurz danach auch vor der Bundespressekonferenz, nach einer Frage der italienischen Nachrichtenagentur Ansa.
Spahn: Einkaufsverhandlungen abgeschlossen
Das Abkommen in der EU, so Spahn, bezog sich auf eine Runde von Einkaufsverhandlungen, die längst abgeschlossen sei. Danach stehe es allen frei, zusätzliche Bestellungen aufzugeben. Davon dürften nur die Lieferungen für die EU, mit den proportional an alle Mitgliedsländer verteilten Impfstoffen, nicht beeinträchtigt werden. Die von der Europäischen Union ins Italienische übersetzten Rechtstexte benutzen ganz klar den italienischen Begriff für ein Auftragsvergabeverfahren („appalto“) und nicht den für eine Einkaufsgemeinschaft.