
Die Preise fliegen mit dem Markt
Von PHILIPP KROHN und ANDREAS PLATTHAUS11. Februar 2022 · Hartnäckiger als gedacht ist die Inflation zurück. Höchste Zeit, in Goscinnys kleinem ökonomischen Weltmodell nachzulesen, wo sie herkommt und wo sie hingeht.
Als René Goscinny 1977 an einem Herzinfarkt starb, hätte das gut das Ende der Comicserie „Asterix“ sein können. Bei einem Treffen in Brüssel erinnerte sich sein Partner, der Zeichner Albert Uderzo, im Herbst 28 Jahre später an diese Zeit: „Dann aber hatte ich soviel Zuspruch von den Lesern, die mir geschrieben haben – erwachsene Leser übrigens“, sagte er in das Reporter-Mikrofon. Einer dieser Leser habe ihn am meisten beeindruckt. „Lieber Herr Uderzo, Sie haben nicht das Recht aufzuhören, weil Ihre Figuren nicht mehr Ihnen gehören. Sie gehören Ihren Lesern.“
Was darauf folgte, wurde vielfach erzählt: Fünfzehn weitere Bände, davon zehn aus Uderzos Feder, erfolgreiche Verfilmungen, seine Nachfolger Jean-Yves Ferri und Didier Conrad haben zuletzt „Asterix und der Greif“ veröffentlicht. Die Figuren gehören den Lesern, und besonders an den Bänden, die Goscinny und Uderzo gemeinsam geschaffen haben, haben sie unendlich viel interpretiert. Sie sind übervoll an politischen, kulturellen, zeitgeistigen und historischen Anspielungen. Lehrreich, spritzig, voller hintergründigem Humor.
Ihr hinreißendstes ökonomisches Statement ist Band 23 „Obelix GmbH und Co. KG“ (im Original: „Obélix et compagnie“). Es enthält ein kleines ökonomisches Weltmodell einer offenen Volkswirtschaft mit Arbeitsteilung, Spezialisierung und Teuerung. Ideen von Adam Smith, John Maynard Keynes und Milton Friedman werden en passant ausgebreitet und erzeugen eine Dynamik, die das römische Reich in eine schwere Krise stürzt. Aus Rom regnet es Sesterzen. Ziel von Cäsars Entourage ist es, die aufmüpfigen Gallier durch ökonomischen Erfolg zu satten, dekadenten Ruheständlern zu machen. „Morgen zahl’ ich dir zwei Handvoll, weil die Preise mit dem Markt fliegen, und ich liefere die Nachfrage... ach, das ist alles fürchterlich kompliziert“, versucht der Hinkelstein-Start-up-Unternehmer Obelix seinem eben erst eingestellten Wildschwein-Lieferanten Magnix zu erklären, was passiert. Doch der Plan der Römer geht schief, die Preise geraten außer Kontrolle, Cäsar bereut, dass er unbegrenzte Mittel bereitstellte. Eine globale Sesterzen-Krise ist die unvermeidbare Folge.
Das letzte Wort in „Obelix GmbH & Co. KG“ gilt der Inflation: „Sesterz-nichts-mehr-wert-sein!“, stellt da der Druide Miraculix im markanten Schulungston für wirtschaftstheoretisch schlichte Gemüter fest, und er und Asterix wollen sich vor Lachen ausschütten über den Verfall der römischen Währung, den die beiden Gallier maßgeblich mitbetrieben haben. Auf den dreiundvierzig vorangegangenen Seiten des Albums wird denn auch bei allem satirischen Spaß eine durchaus tiefgründige mikro- und makroökonomische Analyse vorgenommen, die geeignet ist, das uns seit Jahrzehnten unvertraut gewordene, aber mittlerweile massiv wiederkehrende Phänomen der Inflation anschaulich zu machen. Für schlichte wie für raffinierte Gemüter.
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