Der Lockruf der Autarkie
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Die Häfen dicht zu machen ist keine Option. Bild: dpa
Erdgas, Masken, Mikrochips: Deutschland ist bei vielen Produkten vom Ausland abhängig. Politiker flirten mit der Selbstversorgung. Doch die hat ihren Preis.
Schon bevor die ersten Schüsse in der Ukraine fielen, versuchte die russische Regierung ihre ökonomische Macht auszuspielen. Als Olaf Scholz ankündigte, die Zertifizierung von Nord Stream 2 auszusetzen, antwortete der russische Politiker Dmitri Medwedew mit einem sarkastischen Tweet auf Deutsch: „Herzlich willkommen in einer neuen Welt, wo die Europäer bald schon 2000 Euro pro 1000 Kubikmeter Gas zahlen werden!“ Die Worte Medwedews schienen der Bundesregierung noch in den folgenden Tagen in den Ohren zu klingen. Nur zögerlich stimmte sie Sanktionen zu, setzte Ausnahmen durch, damit das Gas weiter fließen kann. Ein Embargo lehnte Wirtschaftsminister Robert Habeck in dieser Woche ab und warnte, entgegen der Modellierungen diverser Ökonomen, vor Schreckensszenarien: „Wenn wir jetzt den Schalter umlegen, wird es zu Lieferengpässen kommen, zu Massenarbeitslosigkeit, zu Armut, zu Menschen, die ihre Wohnungen nicht mehr heizen können.“
Das Blutvergießen in der Ukraine gibt einer Debatte Dramatik, die in ihren Grundzügen schon seit Jahren läuft: Deutschland diskutiert über die Abhängigkeit von einem wichtigen Importgut. Es geht um sehr unterschiedliche Arten von Gütern, nicht nur Rohstoffe wie Gas und Öl. In der ersten Corona-Welle im März 2020 suchten viele Menschen vergeblich nach Masken. Der wichtige Exporteur China hatte da gerade ein Ausfuhrverbot verhängt. Ein Jahr später waren zwar genug Masken vorhanden, doch die deutsche Wirtschaft ächzte unter Lieferkettenproblemen. Dieses Mal ging es nicht um günstige Massenprodukte, sondern um eine Schlüsseltechnologie: Computerchips. Das Ergebnis: Deutschland zahlt Milliarden für eine Chipfabrik von Intel in Magdeburg.
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