Immobilien : Berlin, Berlin, wir kaufen in Berlin!
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Schnäppchenparadies: Auch die Hinterhöfe des einstigen Problembezirks Neukölln sind neuerdings beliebt. Ins Stadtzentrum ist es nicht weit Bild: Gyarmaty, Jens
Lange war die Hauptstadt berühmt für niedrige Mieten. Jetzt wird’s richtig teuer. Die Krise treibt die Preise, die Zweitwohnung in Berlin wird zum Statussymbol.
Rund dreißig Menschen haben sich an diesem Mittwochmorgen auf den harten Holzbänken des Amtsgerichts in der Neuköllner Karl-Marx-Straße eingefunden. Nicht auf ein mildes Urteil hoffen die Anwesenden, sondern auf einen günstigen Zuschlag. Punkt zehn Uhr eröffnet Rechtspflegerin Elke Wendhausen im holzvertäfelten Saal die Zwangsversteigerung. Das Objekt, auf das es die Anwesenden abgesehen haben, trägt das Geschäftszeichen 70 K 160/11. Dahinter verbirgt sich eine Eigentumswohnung in der Braunschweiger Straße 27, viertes Obergeschoss links. Knapp 40 Quadratmeter ist sie groß, der ermittelte Verkehrswert beträgt 25.000 Euro.
Jahrzehntelang waren Wohnungen in Neukölln unverkäuflich. Die Gegend galt als dreckig, gefährlich und sozial schwach. Bei Zwangsversteigerungen saß Wendhausen meist vor leeren Sitzreihen. „Früher sind wir die Objekte überhaupt nicht oder weit unter Verkehrswert losgeworden“, sagt sie. Jetzt hat sie ein buntgemischtes Publikum vor sich: Mittfünfziger im Anzug, Geschäftsfrauen mit großer Sonnenbrille, Studenten im Hipster-Look und junge Mütter in Jeans.
Der alte Westen kommt wieder in Mode
In ganz Berlin sind Eigentumswohnungen gefragt wie nie, und auch die Mieten ziehen kräftig an. Lange galt die Stadt als Paradies für Wohnungssuchende - zumindest, solange sie es nicht auf den damaligen Trendbezirk Prenzlauer Berg abgesehen hatten. Dessen Reize sind mittlerweile verblasst, inzwischen kommt der alte Westen wieder sehr in Mode. Die höchsten Preissprünge verzeichnen Charlottenburg und Wilmersdorf mit ihren großbürgerlichen Altbauwohnungen, aber auch Schöneberg und das szenige Kreuzberg (siehe Karte). Weil das Angebot dort langsam knapp wird, weichen Investoren auf benachbarte Stadtviertel aus - wie eben auf Neukölln.
Dort erhält nach einer heißen Bieterschlacht Armin Heindl den Zuschlag, ein 41-jähriger Berliner. 37 700 Euro zahlt er für die Wohnung, knapp 1000 Euro pro Quadratmeter. Dafür bekäme er in seinem heimatlichen Kreuzberg nicht einmal ein Tiefparterre. „Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, mein Geld sicher loszuwerden“, sagt er. „Hohe Renditevorstellungen habe ich nicht.“ Den bisherigen Boom in anderen Teilen der Stadt habe er schon verschlafen. „In Neukölln wollte ich nicht schon wieder zu spät dran sein.“
Vor allem Privatanleger investieren
Großinvestoren sind es meist nicht, die auf dem Berliner Wohnungsmarkt die Preise hochtreiben. Eher Privatanleger, die ihr Geld vor der Euro-Krise in Sicherheit bringen oder es nicht für Niedrigzinsen der Bank überlassen wollen, die eine Unterkunft für den studierenden Nachwuchs suchen oder einen Zweitwohnsitz für sich selbst im hippen Berlin. Früher musste Rechtspflegerin Wendhausen die Wohnungsübergabe oft hinausschieben, bis der Meistbietende einen Kredit aufgetrieben hatte. „Heute wird in der Regel sofort überwiesen. Das Geld liegt auf der Bank.“
Weniger erfreulich ist der Trend für Neuberliner, die kurzfristig auf eine Bleibe in der Hauptstadt angewiesen sind. Eigentlich hat Christian Demand schon seit acht Monaten einen Job in Berlin. Der 52-Jährige ist der neue Herausgeber des kleinen, aber feinen Intellektuellenblattes „Merkur“. In seinem Leben hat er schon ziemlich viel erlebt. Er war Journalist, Musiker, Professor an einer Kunsthochschule. Aber die Wohnungssuche hat noch das Zeug dazu, ihn zu schockieren. „Inzwischen betrachte ich das als ethnologische Feldforschung“, sagt er.
Die Berliner Notare haben gut zu tun
Demand sucht, wo neuerdings alle hinwollen: in der westlichen Innenstadt. Oft war es schon schwer genug, überhaupt einen Besichtigungstermin für eine Mietwohnung zu bekommen. Zu sehen bekam er meist nur, was vom großen Kaufrausch übrig blieb - Wohnungen im dunklen Erdgeschoss, mit schlechtem Grundriss oder an extrem lauten Straßen. Ein Makler, erfuhr er, hilft auch nicht weiter. Längst reihen sich die professionellen Vermittler in die Schlange derjenigen ein, die händeringend nach Objekten suchen. Ein Bekannter Demands, der voriges Jahr eine Wohnung kaufte, hatte den Makler neulich wieder am Telefon: ob er seine Bleibe nicht wieder abgeben wolle, mit einem Preisaufschlag von 20 Prozent.