Im Gespräch: Kartellamtspräsident Mundt : „Die Schlupflöcher für Kartellsünder müssen geschlossen werden“
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Kartellamtspräsident Andreas Mundt Bild: Röth, Frank
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird überarbeitet. Das Bundeskartellamt sieht noch einige Lücken in den Reformplänen.
Herr Mundt, das Bundeswirtschaftsministerium hat seine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgelegt. Ist das Werk gelungen?
Der Gesetzesentwurf enthält viele nützliche Elemente, die unsere Arbeit erleichtern und zu einer Angleichung des deutschen an das europäische Wettbewerbsrecht beitragen werden. Wir sehen allerdings auch noch einigen Nachbesserungsbedarf, an erster Stelle in der Kartellverfolgung. Da bewegen wir uns zum Teil auf rechtlich unsicherem Grund und brauchen die Unterstützung des Gesetzgebers.
Woran hakt es?
Neue Urteile des Bundesgerichtshofes machen es den an einem Kartell beteiligten Unternehmen sehr einfach, sich dem Bußgeld und der Haftung zu entziehen. Diese Schlupflöcher müssen geschlossen werden. Es geht um die Frage der Rechtsnachfolge des Kartellsünders. Werden zum Beispiel zwei Tochtergesellschaften verschmolzen, von denen eine an Absprachen beteiligt war, droht der Bußgeldbescheid bereits ins Leere zu laufen. Es reichen relativ simple Konstruktionen, damit Kartellsünder für uns nicht mehr greifbar sind.
Wie reagiert die Bundesregierung?
Wir sind mit den verantwortlichen Bundesministerien für Wirtschaft und Justiz im Gespräch. Es wäre ein fatales wettbewerbspolitisches Signal, wenn die Täter nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Zudem führt die Regelungslücke zu einem nachträglichen Ausfall von Millionenbußgeldern für den Bundeshaushalt - so wie jetzt im Fall der Gerling-Versicherungen. Nach der Übernahme durch HDI werden sie dem Bußgeld für Absprachen in der Industrieversicherung entkommen. Selbst der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil fest, dass die Folgen misslich sind, aber die Gesetzeslage keine andere Entscheidung zuließ, so dass jetzt der Gesetzgeber handeln müsse.
Wie steht es in diesem Zusammenhang um die Konzernhaftung für Tochtergesellschaften?
Im europäischen Recht gibt es eine eindeutige Haftung der Muttergesellschaft. In Deutschland ist die Rechtslage nicht so offensichtlich. Es ist notwendig, die Konzernmutter mit in die Verantwortung für das zu ziehen, was im Konzern passiert. Unsere Praxis in diesem Bereich wird von den Anwälten der Unternehmen regelmäßig bestritten. Auch hier stehen Bußgelder in Millionenhöhe im Raum, so dass es fahrlässig wäre, eine gerichtliche Klärung abzuwarten.
Kartellopfer sollen nur noch beschränkte Akteneinsicht bekommen. Warum?
Die Änderung dient dem Schutz von Kronzeugen. Sie müssten sonst befürchten, dass ihre Aufklärungsbeiträge nicht nur dem Bundeskartellamt, sondern auch Geschädigten bekannt würden. Wir finden es gut und richtig, dass grundsätzlich jedem Kartellanten auch die zivilrechtliche Haftung gegenüber den Kartellopfern droht. Dritten Einblick in die Kronzeugenanträge zu gewähren, würde aber über das Ziel hinaus schießen. Unsere Kronzeugenregelung würde Schaden nehmen, weil sich jedes Unternehmen dann drei Mal überlegen würde, ob es angesichts eines solchen Risikos noch sein Wissen offenlegen sollte.
Ist es nicht zu viel des Guten, wenn Kronzeugen nun doppelt belohnt werden: durch Verzicht auf Bußgeld und Schutz vor Schadenersatz?