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Illegaler Streik : Ausnahmezustand in südafrikanischer Platinmine

Platin Minenarbeiter beim Streik in Rustenburg, Südafrika

Platin Minenarbeiter beim Streik in Rustenburg, Südafrika Bild: Getty Images

Ein illegaler Streik bei Impala Platinum in Südafrika ist eskaliert. Der zweitgrößte Platin Förderer der Welt hat 17.000 Mitarbeiter entlassen. Jetzt folgen steigende Platinpreise.

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          Eigentlich hatte Impala Platinum, der zweitgrößte Platinförderer der Welt mit Sitz in Südafrika, gute Halbjahreszahlen präsentiert. Nur interessierte sich in der vergangenen Woche kaum jemand dafür. Denn exakt zur gleichen Zeit herrschte rund um das Rustenburg-Bergwerk, dem wichtigsten von Impala, der Ausnahmezustand. Mehrere Tausende Arbeiter lieferten sich Straßenschlachten, setzten Autoreifen, Häuser und eine Polizeistation in Brand. Die Polizei versuchte in einem Großeinsatz vergeblich mit Gummiknüppeln und Tränengas für Ordnung zu sorgen. In der Mine steht der Betrieb schon seit einem Monat still.

          Claudia Bröll
          Politische Korrespondentin für Afrika mit Sitz in Kapstadt.

          Der nach 14 Jahren demnächst aus dem Amt scheidende Vorstandschef David Brown bezifferte die Umsatzeinbußen auf umgerechnet mindestens 120 Millionen Euro. Der Produktionsausfall gilt als Hauptgrund, weshalb der Platinpreis seit Anfang Januar kräftig um mehr als 7 Prozent gestiegen ist. In Südafrika liegen Dreiviertel aller Platinvorkommen, die Rustenburg-Mine ist die größte einzelne Platingrube der Welt.

          Zunächst hatte es nach einem ganz normalen Tarifstreit ausgesehen in dem ruhigen Minenstädtchen, 120 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Es ging um ein Bonusprogramm für lange Betriebszugehörigkeit, das Impala im Einvernehmen mit der Gewerkschaft für die Minenarbeiter (NUM) eingeführt hatte - allerdings nicht für die gesamte Belegschaft. Beispielsweise waren die Männer, die unter Tage in den Stollen kauern und mit monströsen Maschinen in das Gestein bohren, ausgeschlossen. Darüber gerieten sie so sehr in Rage, dass sich 5.000 von ihnen weigerten weiterzuarbeiten.

          17.000 Mitarbeiter fristlos entlassen

          Der illegale Streik zog schnell weitere Kreise, bald arbeitete niemand mehr auf dem Minengelände. Impala Platinum schaute sich das nicht lange an. 17.000 Mitarbeiter wurden fristlos entlassen, weil sie nicht zur Arbeit erschienen waren. Massenkündigungen nach nicht genehmigten Streiks sind in Südafrikas Bergwerksbranche nicht ungewöhnlich. In der Regel werden die meisten Arbeiter danach wieder beschäftigt, wobei sie freilich über die Jahre hinweg angesammelte Ansprüche auf Bonuszahlungen oder Renten verlieren. In der Rustenburg-Mine aber heizte dieser Schritt die Stimmung noch zusätzlich an.

          Als Impala mit Neueinstellungen begann, eskalierte der Streit. Auf den Straßen von Rustenburg kam es zu wilder Randale. Rückkehrwillige fürchteten um ihr Leben. Ein Mann starb. Die aufgebrachte Masse habe ihn nackt auf die Straße gejagt und zu Tode geprügelt, berichteten südafrikanische Zeitungen. Aus Sorge vor länger andauernden Unruhen appellierte die Polizei am Wochenende abermals an das Management und die Gewerkschaften, „sich an einen Tisch zu setzen und eine Lösung zu finden“. Doch das ist nicht einfach.

          Gewerkschaftsführer auf Seiten des Managements

          Tatsächlich handle es sich um eine Rebellion gegen NUM, sagte Brown. Die Arbeiter werfen ihrem bisher einzigen Interessensvertreter Verrat vor. Eigentlich stünden die Gewerkschaftsführer auf Seiten des Managements, beschwerten sich Demonstranten auf der Straße. Kurzum stellten sie ein eigenes Komitee auf, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen.

          Komplizierter wird die Sache noch durch das plötzliche Auftauchen einer kleineren Gewerkschaft, der Association of Mine Workers and Construction Union (Amcu), die sich mit den abtrünnigen NUM-Mitgliedern solidarisiert. „Denen geht es nur darum, Leute zu rekrutieren“, beschwerte sich Sydwell Dokolwana, NUM-Regionalsekretär in Rustenburg, „sie sind einfach hierher gekommen und haben den Leuten versprochen, bis zum Tod für deren Forderungen kämpfen zu wollen“.

          Amcu hat schon des Öfteren als Außenseiter Streiks angezettelt, beispielsweise in den Bergwerken von Xstrata oder auf Baustellen des Baukonzerns Murray&Roberts. Impala lehnt bisher Gespräche sowohl mit dem inoffiziellen Arbeiterkomitee als auch mit Amcu ab, weil beide nicht als Vertreter der Belegschaft legitimiert sind. „Wenn das ein normaler Streik über Löhne wäre, hätte man ihn schon längst gelöst“, stöhnte Brown.

          Unruhen als Ausdruck von Frustration

          Im Kern sind die Unruhen auch Ausdruck der Frustration der armen Bevölkerung. An ihrer wirtschaftlichen Lage hat sich trotz der Versprechen der Regierung nicht viel geändert. Ob der Betrieb in der Rustenburg-Mine in dieser Woche wieder anläuft, ist daher fraglich. Impala hat wegen der Angriffe auf Jobbewerber lediglich 6.000 der 17.000 gekündigten Arbeitnehmer wieder unter Vertrag genommen.

          Neue Arbeiter zu suchen würde mindestens zwei bis vier Wochen dauern. Die Zeit drängt. Jeder Streiktag bedeutet einen Produktionsausfall von 3.000 Unzen des weißen Edelmetalls. Das wird dem Nachfolger Browns bei der nächsten Vorlage wohl weniger erfreuliche Geschäftszahlen bescheren. In den sechs Monaten bis Ende Dezember steigerte Impala noch den Gewinn um mehr als 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

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