
Ist das Trumps Vermächtnis? : Amerikas wundersames Wachstum
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Donald Trump zählt Geld für die Kollekte in einer Kirche in Las Vegas (Archivbild). Bild: AFP
Unter Donald Trump erlebten die Vereinigten Staaten ein unerwartetes Wirtschaftswachstum. Woran lag das, und kann Joe Biden daraus lernen?
Als die Regierung von Barack Obama in ihren letzten Zügen lag, prophezeiten die Wirtschaftsexperten für die folgenden Jahre unisono ein Wachstum von rund einem Prozent. Die Ankündigung des wahlkämpfenden Donald Trump, ein neues Wirtschaftswunder zu entfachen, taten sie als Prahlerei ab. Die Experten hatten sich eingerichtet in der Vorstellung, dass mittelfristig mehr nicht drin sei als Mediokrität. Eine alternde Bevölkerung, schrumpfende Produktivitätszuwächse und mangelnde Innovationen lieferten die Argumente.
Kurz bevor die Pandemie ausbrach, lag das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten allerdings über drei Prozent und damit deutlich höher, als die Fachleute auch nur für möglich gehalten hatten. Die Arbeitslosenquote sackte so tief wie seit 50 Jahren nicht mehr. Die Inflation war nicht nennenswert. Im Jahr 2019, dem letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Pandemie, waren die Einkommen durch die Bank deutlich gestiegen, besonders stark für die unteren Lohngruppen. Die Armut ging so stark zurück wie lange nicht. Die Vermutung, dass angesichts dieser Entwicklung Trump ohne sein Versagen in der Pandemiebekämpfung die Wiederwahl gewonnen hätte, ist nicht weit hergeholt.
Was den Ausschlag für den zwischenzeitlichen Wirtschaftsboom gegeben hat, ist naturgemäß umstritten. Konjunktur-Zyklen halten sich nicht an Legislaturperioden. So erntet mancher Präsident die Früchte, die sein Vorgänger gesät hat. Oder umgekehrt: Er wird verantwortlich gemacht für Einbrüche, die die Spätfolgen verfehlter Politik des Vorgängers waren. Obama hatte die Zutaten für eine Rezession geerbt. Die kraftvolle Erholung allerdings, die früher nach Wirtschaftskrisen stets eingetreten war, blieb aus. Ökonomen sahen das schwache Wachstum als unausweichlich an, wollte man an der bewährten, durch langjährige Erfahrung gewonnenen Weisheit festhalten.
Eine dieser Weisheiten lautete, dass eine deutliche Erhöhung der Staatsdefizite und eine Steuersenkung, die nicht durch zusätzliche Staatseinnahmen gegenfinanziert war, zwangsläufig die Zinsen nach oben treibe. Diese Zinserhöhung, so die Vorstellung, ersticke die zusätzliche Dynamik, die durch die Steuersenkung entfacht werden sollte. In der Wirklichkeit allerdings stiegen die Zinsen nicht, sie wiesen eher nach unten.
Die andere liebgewonnene Vorstellung war, dass die amerikanische Wirtschaft nahe an der Kapazitätsgrenze produzierte, weshalb das Konjunkturprogramm aus Steuersenkung und zusätzlichen Ausgaben letztlich in Inflation münden würde. Konsequenterweise wurde Trumps expansive Wirtschaftspolitik von der Federal Reserve durch acht Leitzinserhöhungen gebremst, die den Leitzins schließlich Ende 2018 auf 2,5 Prozent brachte.
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Den Zinssteigerungen lagen neben Inflationsprognosen auch Vorstellungen darüber zugrunde, wann Vollbeschäftigung herrschte. Stets lagen die Zentralbanker falsch. Die Inflation zeigte sich stets niedriger als prophezeit, die Vollbeschäftigung lag ferner als prognostiziert. Der von Trump angezettelte Handelskrieg hat sich überdies nicht in der Inflation gezeigt, er scheint auch die Konjunktur – anders als vorhergesagt – nicht nennenswert gebremst zu haben. Und schließlich könnte die von Ökonomen in ihren Berechnungen weitgehend ignorierte kraftvolle Deregulierung zum Wirtschaftswachstum beigetragen haben.
Die Lehren daraus für die Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten Joe Biden sind allerdings weniger eindeutig als gewünscht. Die Vereinigten Staaten können sich offenbar deutlich mehr Staatsschulden erlauben, als lange vermutet. Doch irgendwann ist trotzdem ein Limit erreicht, dessen Überschreiten gefährlich bleibt. Die Fed muss nicht so viel Angst vor der Inflation haben, allerdings die kommenden Konjunkturprogramme sorgfältig beobachten. Und die Rückführung der Deregulierung, die Biden eingeleitet hat, produziert wirtschaftliche Kosten, die leicht übersehen werden.

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