Verhalten sich Privatversicherte unsolidarisch?
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Rainer Hank Bild: F.A.Z.
Es lässt sich bestreiten, dass in Deutschland eine Zweiklassen-Medizin existiert. Das ändert aber nichts daran, dass es eine Zweiklassen-Krankenversicherung gibt.
Wer sich privat krankenversichert, entzieht dem Solidarsystem viel Geld: Insgesamt neun Milliarden Euro. Mit diesen Zahlen hat mich die Bertelsmann-Stiftung in der vergangenen Woche verschreckt. Denn ich bin Mitglied einer privaten Krankenversicherung – schon seit meiner Studentenzeit in Tübingen. Damals hat mich ein Vertreter der Finanzberatung MLP besucht und mir geraten, mich privat zu versichern. Das habe ich, alles in allem, bis heute nicht bereut, auch wenn zwischendurch die Beitragserhöhungen schon mal saftig ausfallen konnten.
Statistisch, so entnehme ich es der Bertelsmann-Studie, bin ich ein ziemlich durchschnittlicher Privatversicherter: besserverdienend und gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung. Und gerade deshalb schädige ich die Gemeinschaft, weil ich meinen Mitbürgern Geld – und womöglich sogar bessere medizinische Versorgung – entziehe: das ist wirklich ziemlich starker Tobak. Niemand möchte den Grundsatz infrage stellen, dass es bei Krankheit keine ungleiche Behandlung geben dürfe. Es sind vor allem drei Vorwürfe der Stiftungsleute aus Gütersloh, die mich irritieren: (1) Die Gesundheitsvorsorge könnte insgesamt für die Deutschen um jährlich 145 Euro je Versichertem billiger werden, würde ich in die gesetzliche Versicherung einzahlen. (2) Es könnte sein, dass meine stabile Gesundheit nicht nur Folge einer guten genetischen Ausstattung und eines einigermaßen soliden Lebensstils ist, sondern auch auf eine bevorzugte ärztliche Behandlung als Privatpatient zurückgeht. (3) Es sieht so aus, als zögen Privatversicherte viele Ärzte an, weil sie an mir mehr verdienen als an den gesetzlichen Versicherten: Die Ärztedichte je Einwohner und also die medizinische Versorgung am Starnberger See ist signifikant höher als im Bayerischen Wald.
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