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Hanks Welt : Amazon macht süchtig

Alles da? Blick in ein Amazon-Logistikzentrum Bild: dpa

Unser Autor war stets zufrieden mit dem Angebot und der Leistung des Internetriesen. Doch in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat er den Glauben an Amazon verloren.

          4 Min.

          Seit Jahren zähle ich zu den treuesten Kunden von Amazon in Deutschland. Was habe ich dort nicht alles bestellt: den Ersatzrost für unseren Backofen, die gesammelten Werke Hegels (unabdingbar im Jubiläumsjahr) oder Ersatzbatterien im Achter-Set für den Zündschlüssel meines Autos.

          Rainer Hank
          Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Und, was soll ich sagen: Ich war immer zufrieden. Die Dinge werden im Netz übersichtlich präsentiert, die Bewertungen der Kunden sind aussagekräftig, und die Lieferung erfolgt postwendend bis zu mir in den zweiten Stock, überreicht von ausschließlich freundlichen Mitarbeitern. Selbst die viel gescholtenen personalisierten Empfehlungen („Kundinnen, die dieses Parfum kaufen, kaufen auch...“) fand ich stets einfühlsam und irgendwie meinen Geschmack treffend.

          So habe ich mich in den vergangenen Jahren zu einem informellen Botschafter des amerikanischen Warenversenders im Frankfurter Nordend entwickelt, wo ich mir immer wieder anhören musste, Amazon sei der Totengräber des Buchhandels, versklave seine Arbeiter und uniformiere den Konsum-Geschmack der Weltbevölkerung. Nichts hat mich aus der Kurve getragen, stets hatte ich – meiner Ansicht nach – ein schlagendes Gegenargument. Doch jetzt ist es passiert. In den letzten Wochen des Jahres 2020 habe ich den Glauben an Amazon verloren.

          Und das kam so. Einige kurz hintereinander erfolgte Abbuchungen von Anfang November auf meiner Kreditkartenabrechnung, keine großen Beträge, kamen mir spanisch vor. Ich hatte die Befürchtung, ein Betrüger müsse mein Amazon-Konto gehackt haben. Solche Sachen liest man ja; warum sollte ich verschont bleiben. Ich bat meine Bank, das mutmaßlich betrügerisch abgebuchte Geld zurückzufordern. Das funktionierte binnen eines Tages reibungslos.

          Tags darauf musste ich feststellen, dass es keinen Hacker gab, ich bloß bei der coronabedingt vielfältigen Online-Bestellerei den Überblick über meine Käufe verloren hatte. So waren mir etwa die Fahrradhandschuhe für 10,97 Euro nicht mehr präsent. Mein Fehler, gewiss – aber ein Fehler, den ich mir durchgehen lasse. Kann passieren.

          Amazon ächtete mich

          Danach lernte ich Amazon von einer anderen Seite kennen. Wie naiv war es von mir zu meinen, die Sache lasse sich mit einer korrigierenden E-Mail an Amazon aus der Welt schaffen. Erst einmal reagierte das Unternehmen gar nicht. Dann erhielt ich die Mitteilung, mein Amazon-Konto sei gesperrt, angeblich, um mich zu schützen. Einige Tage später wurde ich aufgefordert, ich solle die Nummer einer Kreditkarte angeben, um die Bestellungen zu bezahlen, die aber nicht jene Kreditkarte sein dürfe, von der ursprünglich die Beträge abgebucht worden seien; sie müsse aber gleichwohl auf meinem Amazon-Konto hinterlegt sein. Das werde schwierig, antwortete ich, denn es sei keine andere Kreditkarte hinterlegt, ich könne das aber jetzt gerne nachholen. Nein, das sei nicht möglich, wurde mir einige Tage später mitgeteilt.

          Da schwante mir: Die Sache wird sich ziehen. Ich kürze ab: Amazon ächtete mich und schloss mich wochenlang aus der Community aus. Am anderen Ende der Telefon-Hotline traf ich zwar immer auf freundliche Call-Center-Mitarbeiterinnen, die stets versicherten, mein Anliegen weiterzugeben. Doch ohne Erfolg.

          Ich wäre bereit gewesen, das Geld persönlich mit Schufa-Zertifikat vorbeizubringen oder als Einschreiben an Jeff Bezos nach Seattle zu schicken. Es nützte alles nichts. Wie Hohn kam es mir vor, dass die in nicht leicht zu verstehendem Deutsch formulierten E-Mails von „Kontospezialist. Amazon.de“ mit dem Hinweis enden: „Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Ihr Feedback hilft uns dabei.“

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