Chinas Staatschef Xi Jinping während seines Italien-Besuchs in Palermo, Sizilien Bild: EPA
Beeindruckt vom rasanten Aufstieg der Volksrepublik orientiert sich der deutsche Wirtschaftsminister Altmaier nun an Fernost. Das ist keine gute Idee. Unsere Kolumne „Hanks Welt“.
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Am 6. November 1989 veröffentlichte der „Spiegel“ eine Titelgeschichte mit der Überschrift: „Ist die DDR noch zu retten?“ Die Frage hatte sich drei Tage später von selbst erledigt: Am 9. November brach die DDR zusammen.
Im gleichen Spiegel-Heft vom 6. November 1989, mit gelber Banderole auf der Titelseite beworben, findet sich der Auftakt zu einer dreiteiligen Angstmacher-Serie mit der Überschrift „Japan gegen den Rest der Welt“. Auch diese Geschichte sollte ein historischer Rohrkrepierer werden: Wenige Monate danach erlebte Japan den Kollaps der Aktien- und Immobilienpreise, gefolgt von den „verlorenen zwei Dekaden“ aus Depression und Deflation. Schlagartig war die „japanische Bedrohung“ aus den Titelgeschichten westlicher Magazine verschwunden.
Weil das alles lange her ist, lässt sich aber mit Asien-Geschichten immer noch den Leuten Angst machen: Man muss heute bloß Japan durch China ersetzen. Politiker, die selbst keine Erinnerung haben, schaffen es, ihr industriepolitisches Süppchen aus diesen Ängsten zu kochen. Nennen wir das Phänomen die „Altmaier-Amnesie“, eine schwere Form wirtschaftshistorischer Gedächtnisstörung.
Werfen wir einen Blick auf den Spiegel-Dreiteiler über die japanische Gefahr. Er spiegelt die damalige Stimmung präzise. Die westliche Welt werde durch eine „wahre Flut japanischer Exportprodukte“ überschwemmt, heißt es da, illustriert mit der Zeichnung einer von Japanern gefütterten Kanone, aus deren Lauf der wehrlose Westen mit billigen Computern, Kassettenrekordern und Autos beschossen wird. Mit Milliarden Dollar kaufe Japan die Welt auf.
Vorbild „Miti“
Als Symbol dafür galt die Übernahme des Tiffany-Buildings an der New Yorker Fifth Avenue oder des Rockefeller Centers durch Mitsubishi. Ziel sei die „Deindustrialisierung“ des Westens. Diesen „Herrschaftsdrang, der die fernöstlichen Geschäftsleute in aller Welt zu gefürchteten Eindringlingen werden“ lasse, müsse den Westen ängstigen: „Leichen pflastern den Weg zum Sieg, niederkonkurrierte Unternehmen und ruinierte Branchen in den industrialisierten Altländern, Hunderttausende, die sich nach neuen Jobs umgucken müssen, am Ende werden wir alle für die Japaner arbeiten“.
Die bellizistische Metaphorik lässt keine Wünsche offen. Am Ende heißt es über den Wirtschaftskonflikt zwischen Japan und dem Rest der industrialisierten Welt: „Der Krieg findet längst statt!“
Welchen Rat hatten die Krieger des Westens damals parat? „Von Japan lernen, heißt siegen lernen!“, lautete die Devise, deren deutscher Promotor der CDU-Politiker Lothar („Cleverle“) Späth war. Am Band von Daimler, Opel & Co. wurde nun hektisch Gruppenarbeit eingeführt. Die Fertigungsmethoden bekamen japanische Überschriften: „Kaizen“ bedeutete das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung der industriellen Fertigung. Wichtigstes Ziel des „Kaizen“ war die „Nullfehlerstrategie“, mit der die deutschen Arbeiter am Band gehörig eingeschüchtert wurden.
Vorbild für alle Politiker wurde das japanische „Ministry of International Trade and Industry“, kurz Miti, ein bürokratisches Monstrum mit 12000 Beamten, das dem Westen als erfolgreicher „Dirigent des japanischen Konzernorchesters“ erschien. Den wirtschaftlichen Erfolg der „Japan AG“ erklärte man nicht als normalen Aufholprozess nach den Zerstörungen des Krieges, sondern als politisch gesteuerte, welterobernde Strategie einer „neuen Industriepolitik“, in der die Märkte politisch gelenkt werden müssten: „Die japanische Wirtschaft versteht sich als Teil der vom Kaiser geführten japanischen Großfamilie.“