Hanks Welt : Kinderkreuzzug damals und heute
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Greta Thunberg ist viel unterwegs. Bild: EPA
Was Greta Thunberg mit fanatischen Kindern aus dem Mittelalter zu schaffen hat.
Zu Greta Thunberg, der sechzehnjährigen Klimaaktivisten aus Schweden, fällt mir nichts ein. So dachte ich – bis jüngst ein Bekannter das Wort vom „Kinderkreuzzug“ in die Runde warf. Greta, so sollte das wohl heißen, führe einen Kreuzzug zur Rettung des Klimas, ähnlich fanatisch wie jene Kinder, die sich im Jahr 1212 zu Tausenden aus Deutschland und Frankreich aufgemacht hatten zur Befreiung Jerusalems von den Muslimen – eines der merkwürdigsten Ereignisse des europäischen Mittelalters.
Das Fanatische an Greta ist ja gerade das Nicht-Empathische und Anti-Charismatische ihrer Erscheinung. Wie viele Autisten handelt sie hochmoralisch, obwohl oder womöglich gerade weil ihr die Gabe der Einfühlung in andere abgeht. Sie lässt sich im Kampf für das Gute nicht irritieren vom Verständnis für die Schwachheit der CO2-ausstoßenden Kreatur. Greta macht die Erfahrung, dass sie etwas bewirken kann: Ihre politische Mission, so beschreibt es die Familie, wirkt auf sie selbst antidepressiv und quasi therapeutisch. Treffsicher benennt sie das Glaubwürdigkeitsdefizit der Politiker: Sie sagen das eine und machen das andere. Sie reden laut gegen den Klimawandel, weil das bei den Leuten gut ankommt, scheuen sich aber konkret zu werden, weil dann auch über die Kosten gesprochen werden müsste. Das derzeitige Gewürge um die CO2-Steuer zeugt davon. Für Politiker sind Ziele Gift, bei denen die Kosten kurzfristig anfallen, während sich der Nutzen erst langfristig einstellt.
Greta lässt das nicht durchgehen. Sie antwortet auf Politikversagen mit Hypermoralisierung, die etwas Gnadenloses hat. Hypermoralisierung tendiert zu Vereinfachung und unfairer Schuldzuweisung: „Es gibt doch nur ein paar hundert Firmen, die für den gesamten CO2-Ausstoß stehen“, sagt Greta. Ein „paar wenige reiche Männer“ hätten Tausende Milliarden damit verdient, dass sie den ganzen Planeten zerstören. Greta irritiert, fasziniert, und stößt zugleich ab. „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“
Statt mit Schwertern rückten sie mit Posaunen los
Ist das ein Aufruf zum Kreuzzug? Man kann es so sehen, sollte es sich freilich mit dem Begriff Kinderkreuzzug in keiner Weise leichtmachen. Mein Gesprächspartner, der den Begriff in die Runde warf, ist weder Rechtspopulist noch Klimaleugner, der die von Menschen gemachte globale Erwärmung bestreitet. Der Mann hat eine ziemlich linke Vergangenheit und würde sich heute wohl der bürgerlich-liberalen Mitte zuordnen, darin verwandt dem ehemaligen „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust, der ebenfalls mit dem Begriff „Kinderkreuzzug“ hantiert. Die Massenbewegung „Fridays for Future“ komme ihm vor wie ein „moderner Kinderkreuzzug“ oder wie eine „beinahe religiöse Erweckungsgemeinschaft“, meinte Aust kürzlich. Man braucht sich der Debatte nicht versagen, bloß weil die AfD Umwelt und Klima zur Erweiterung ihres migrations- und europapolitisch eingeengten Geschäftsmodells entdeckt hat. Der AfD-Einwand kommt als Totschlagargument in Mode, so dass man am Ende auf die AfD eine Wut bekommt, weil sie dadurch erlaubte Spielzüge dem liberalen Diskurs entzieht.