Hanks Welt : Nichts gegen die schwäbische Hausfrau
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Keine schwäbische Hausfrau, sondern eine Münchner Radiologin schaut einem Sparschwein in den Bauch. Bild: dpa
Schulden machen ist eine gefährliche Sache. Der Staat sollte sich da zurückhalten.
Jetzt geht es der schwäbischen Hausfrau an den Kragen. Sie wenigstens hatte – obzwar längst nicht mehr real existierend – in der Fiskalpolitik als Inbegriff der Tugendhaftigkeit bis zuletzt ihren Stammplatz verteidigt. Berühmt wurde der Satz einer Pflaumenkuchen backenden Uckermärkerin: „Man muss einfach die schwäbische Hausfrau fragen. Sie kennt die Lebensweisheit: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“
Also sprach die deutsche Kanzlerin, und ihr Wort sollte grundgesetzlich wahr werden: als sogenannte Schuldenbremse. Seit einigen Jahren gibt der Staat nur ungefähr das aus, was er vorher über die Steuern seiner Bürger eingenommen hat. Gleichzeitig schrumpfte die Schuldenquote von einstmals über 80 auf inzwischen nur noch knapp 60 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt), ein Wert, der bekanntlich die Maastricht-Obergrenze bildet, aber von kaum einem Euroland eingehalten wird. Absolut gesehen, sind das immer noch 1,9 Billionen Euro, mit denen die Deutschen bei ihren Gläubigern in der Kreide stehen.
Getrost darf sich der Respekt vor der Tugendhaftigkeit deutscher Politiker in Grenzen halten: Angesichts staatlicher Rekordeinnahmen, die auf dem wirtschaftlichen Erfolg deutscher Steuerbürger fußen, ist Sparsamkeit keine große Kunst. Und angesichts niedriger Zinsen bei ordentlichem Wachstum schrumpft die Schuldenquote auch ohne Tugendanstrengung ganz von allein.
Solch komfortable Situationen machen übermütig. Und drohende Konjunkturschwächen machen zugleich erfinderisch. Kein Wunder, dass seit einigen Wochen durchaus vernünftige Ökonomen uns weismachen wollen, Schulden seien besser als ihr Ruf. Mehr noch: Sie sagen, in Wirklichkeit seien nicht die Schulden gefährlich, sondern die Schuldenbremse. Die Zwangsdisziplin der öffentlichen Finanzen verhindere nämlich, dass der Staat ordentlich investiere – in Schulen, Brücken und den flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes bis an jede Milchkanne.
Wenn die Angst vor den Funklöchern nicht hilft, dann fruchtet am Ende garantiert die Drohung mit China: Dort gebe es einen zentral planenden Staat, der mit Milliardenausgaben nicht kleckert, sondern klotzt, während hierzulande die schwäbischen Hausfrauen in den Finanzministerien keinen Cent rausrücken.
„Moderne Geldtheorie“
Politiker hören so etwas gerne: Ein Leben auf Pump als Kompensation schrumpfender Steuereinnahmen macht ihnen gute Laune – das Ganze abgesegnet von gut beleumundeten Makroökonomen einer jungen Generation, denen Staatsskepsis als altmodisch gilt. Lange haben sich Politiker über nörgelnde Volkswirte geärgert; die neue Generation der Makros unterstellt ihnen nur Gutes.
Und die schwäbische Hausfrau? Die habe ausgedient, sagen die neuen Ökonomen. Denn wir sehen ja: Die Schulden verschwinden fast von allein, ohne dass den Bürgern eine Rechnung des Finanzministers ins Haus geflattert wäre. Das soll heißen: Das alte fiskalpolitische Dogma, wonach die Schulden von heute die Steuern von morgen sind, hat seine Gültigkeit verloren. Werft das Geld mit Freude raus, um die Rückzahlung kümmern sich das Wirtschaftswachstum und die Geldpolitik, die die Zinsen niedrig hält.
Hilfsweise wurde dazu eine schicke Theorie erfunden, die sich „Moderne Geldtheorie“ nennt („Modern Monetary Theorie“ oder kurz MMT), deren Lehre – leicht überspitzt – heißt: Wozu braucht der Staat Steuern, wenn er ihm gewogene Notenbanken hat, die ihn finanzieren, indem sie seine Staatsanleihen kaufen und Schuldenkrisen von vornherein verhindern. Was zur Rettung des Euros funktioniert hat (genannt „Quantitative Easing“, kurz QE), soll zum Normalfall werden.