Hanks Welt : Generation Sorgenfrei
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Schüler demonstrierten gerade wieder auch in Hamburg für mehr Klimaschutz. Bild: Reuters
Was die alten Babyboomer und die junge Generation Z gemeinsam haben.
So langsam fangen wir damit an, in das Jahr 2020 zu blicken. Und was sehen wir? Die Babyboomer gehen in Rente. Babyboomer, so nennt man bekanntlich die Generation der zwischen 1955 und 1965 Geborenen. Deren erste Besonderheit besteht darin, dass sie viele sind. Sieger wie Besiegte hatten zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges das Schlimmste hinter sich und konnten optimistisch in die Zukunft blicken.

Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Optimismus ist eine geburtenfreundliche Grundstimmung, die zehn Jahre andauerte: Dann kam der sogenannte Pillenknick, die folgenreiche Entkoppelung von Sex und Zeugung.
Unter dem Motto „Leben und leben lassen“ haben die Babyboomer ein gutes, meist sorgenfreies Arbeitsleben hinter sich: Sie erreichten ein höheres Einkommen und einen besseren sozialen Status als ihre Eltern, blieben verschont von der Erfahrung von Krieg, Flucht oder Vertreibung, konnten viele ihrer Interessen umsetzen. Weniger militant als ihre Vorgänger, die Achtundsechziger, haben sich die Babyboomer aber auch gemäßigt politisiert. Sie kämpften für eine bessere Welt, fanden freilich die bestehende Welt nicht so verderbt, dass gleich eine Revolution nötig gewesen wäre.
Sie haben auch künftig viel Macht
2020 also beginnt der Rückzug des ersten Jahrgangs der Boomer. Denn nach wie vor ist es in vielen Ländern üblich, mit 65 in Rente geschickt zu werden. Doch was heißt hier Rückzug! Bei den Babyboomern wird alles anders als bei den vorangegangenen Generationen. Das hängt zum einen mit ihrer schieren Zahl zusammen – dem Boomer-Club gehören weltweit 134 Millionen Mitglieder oder elf Prozent der Bevölkerung in der entwickelten Welt an.
Diese Masse verschafft ihnen etwa als Wähler oder als Konsument auch künftig große politische und wirtschaftliche Macht. Zugleich profitieren sie vom Fortschritt der Wissenschaft, der bewirkt, dass die heute Fünfundsechzigjährigen zwar als alt gelten, aber alles andere als alt sind: Im OECD-Schnitt liegen noch zwischen 25 (Frauen in Japan) und 17 (Männer in der Türkei) Lebensjahre vor ihnen, der Statistik nach die meisten davon bei bester Gesundheit. Deutschland hat sich geringfügig unter dem OECD-Durchschnitt eingependelt: Frauen leben hierzulande vom Renteneintritt an noch 22, Männer 18 Jahre.
Der Clou dabei: Wer jetzt in Rente geht, ist so fit und agil, wie noch keine Kohorte früher es war. Die Altersforschung – einer der besonders schnell wachsenden Zweige der Wissenschaft – unterscheidet zwischen den „jungen Alten“ und den „alten Alten“. Für die jungen Alten zwischen 65 und 75 gibt es einen Gruppennamen: Sie heißen „Yoldies“, nach „young old“. Dass das auch ein bisschen nach „gold“ klingt, ist durchaus beabsichtigt: Ihr Leben mag sich golden anfühlen. Sie entsprechen so ganz und gar nicht dem Klischee jener „Senioren“, die den lieben langen Tag Kochshows im Fernsehen gucken oder auf der Parkbank hocken und sich ihre Gebrechen erzählen.
Die Yoldies sind psychisch und physiologisch im Schnitt zehn bis fünfzehn Jahre jünger, als ihr biologisches Alter es anzeigt. Sie sind ständig in Bewegung, geistig und körperlich, Aktivitäten, die ihrerseits dazu beitragen, nicht zu vergreisen. Als der leider früh verstorbene Frankfurter Medizinprofessor Rudi Busse schon vor über zehn Jahren von einem Kardiologenkongress in Amerika zurückkam, bei dem die Kapazitäten der Welt sich getroffen hatten, lautete die Antwort auf die Frage, was einen im Alter am Leben erhalte, sehr simpel: „Exercise, exercise, exercise.“
Das ist zugleich in etwa die Zusammenfassung eines gerade erschienenen schönen Buches der britischen Publizistin Camilla Cavendish mit dem Titel „Extra Time. Ten Lessons for an Ageing World“.