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Besuch in Washington : Habeck im Land der unbegrenzten Fördermöglichkeiten

  • -Aktualisiert am

Robert Habeck (links) und Bruno Le Maire in Washington Bild: Reuters

Der deutsche Wirtschaftsminister verhandelt in Washington mit seinem französischen Amtskollegen über einen besseren Zugang zu Subventionen und ein Rohstoffbündnis.

          3 Min.

          Die amerikanische Finanzministerin. Die Handelsministerin. Der wirtschaftspolitische Berater des Präsidenten. Der Beauftragte für den „Inflation Reduction Act“ (IRA). Als  Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire am Dienstagnachmittag amerikanischer Zeit in Washington vor die Presse treten, haben sie einen Gesprächsmarathon hinter sich.

          Julia Löhr
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          Die zwei Minister sind in die Vereinigten Staaten gereist, um über das 370 Milliarden Dollar schwere Subventionsprogramm der Amerikaner zu reden. Im Grundsatz seien sich beide Seiten einig, so die Botschaft der Europäer im Anschluss. „Wir dürfen nicht in eine Situation reinlaufen, die in einem  Überbietungswettlauf um Subventionen endet“, sagt Habeck. „Die Gespräche waren von gegenseitigem Vertrauen geprägt.“

          Als Fortschritte vermelden Habeck und Le Maire, dass die Amerikaner Transparenz zugesichert hätten, in welche Bereiche wie viel Geld fließt. „Wir wollen einen fairen Wettbewerb“, sagt Le Maire. Die  Arbeitsgruppe, die schon in den vergangenen Monaten zum IRA tagte, soll darüber wachen. Außerdem gibt es die Absicht, eine Art Rohstoffklub  zu schaffen, um die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern zu reduzieren. „Wenn es gelingt, einen gemeinsamen Zugang zu Rohstoffen zu schaffen,  kann das auch ein Eintritt in die Produktmärkte sein“, sagt Habeck.

          Eine Annäherung in mehreren Schritten

          Nach den gescheiterten Verhandlungen um ein umfassendes Freihandelsabkommen namens TTIP schwebt ihm eine schrittweise Annäherung an eine neue Kooperation vor. Er spricht von einem „gemeinsamen Markt für grüne Industriegüter“. Die Basis dafür soll der nach dem Scheitern von TTIP eingerichtete Trade and Technology Council, kurz TTC,  bilden.

          Als die Amerikaner im vergangenen Sommer ihre Subventionsoffensive für den Ausbau  klimafreundlicher Technologien ankündigten, löste das in Europa erst Freude (sie tun etwas für den Klimaschutz), dann Besorgnis (sie werben unsere Unternehmen ab) aus. Zugleich beschwerten sich  europäische Unternehmen, sie würden von der Förderung ausgeschlossen.

          Vor allem deutsche Autohersteller sorgen sich  um ihre Ab­satzzahlen. Die Amerikaner locken mit 7500 Dollar Steuergutschrift für den Kauf eines Elektroautos, aber nur, wenn die Unternehmen vor Ort produzieren  und auch die Vorprodukte und Rohstoffe von dort  stammen. Lieferungen aus Kanada oder Mexiko sind erlaubt, diese Länder haben ein Freihandelsabkommen mit den USA.

          Autohersteller hoffen auf Öffnung des IRA

          Für Leasingfahrzeuge ist das amerikanische Finanzministerium schon von den „Local Content“-Vorgaben abgerückt. Für deutsche Autohersteller ist das ein wichtiger Punkt. Zwischen 50 und 80 Prozent ihrer Fahrzeuge – die Angaben variieren – werden in den USA im Leasingmodell vertrieben. Das Problem sei zu „deutlich über der Hälfte gelöst“, sagt Habeck.

          Der Hoffnung mancher deutscher Unternehmen, die amerikanische Regierung könnte das Paket als Ganzes noch einmal aufschnüren, der EU auch ohne Abkommen einen Zu­gang wie Kanada oder Mexiko einräumen, erteilt er indes eine Absage. „Der IRA wird nicht noch einmal geöffnet.“
          Wofür der Bundeswirtschaftsminister ebenfalls keine Chance sieht: dass es in nächster Zeit einen neuen Anlauf für ein umfassendes Freihandelsabkommen wie TTIP geben wird.

          Er stellt dafür an­dere Formen der Kooperation in Aussicht. Was er mit dem gemeinsamen Markt für grüne Industriegüter meint,  skizziert er auch: Klimafreundliche Produkte, die im amerikanischen Markt zugelassen sind, könnten  automatisch auch im europä­ischen Markt zugelassen werden und um­gekehrt. „Daran wird gearbeitet“, sagt  Habeck. Von einer „grünen Brücke über den Atlantik“ ist die Rede.

          Sorge vor der Abhängigkeit von China

          Beim Thema Rohstoffe führt bislang kaum ein Weg an China vorbei. Ein Großteil der seltenen Erden kommt von dort. Vorkommen gibt es zwar auch in anderen Ländern. Es wäre aber deutlich teurer und wohl der Bevölkerung auch nicht so einfach zu vermitteln, sie zu fördern. Das für Elektroautos so wichtige Lithium stammt großteils aus Chile und Australien.

          In der Weiterverarbeitung dominiert wieder China. Das sorgt sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa für Unbehagen, nicht zuletzt wegen der Sorge, dass der Nachschub im Fall eines Angriffs Chinas auf Taiwan schnell versiegen könnte. Man könnte auch sagen, dass es bei den Gesprächen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten letztlich um einen China Reduction Act geht.

          Zwar will Habeck Chinas Machtstreben  (noch) nicht so offensiv ausbremsen, wie das der amerikanische Präsident Joe Biden mit seinen  Beschränkungen für Hightech-Exporte nach China derzeit macht. Aber auch er hat in der Außenwirtschaftspolitik schon einen restriktiveren Kurs eingeschlagen. Das Kanzleramt hat dagegen im Fall Cosco deutlich  gemacht, dass es nicht an einer Zuspitzung des Konflikts mit Deutschlands wichtigstem Handelspartner interessiert ist. Auch in Berlin wird Habeck noch einige Verhandlungen führen müssen.

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