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Explodierende Energiepreise : Habeck: Russland liefert aus politischen Gründen weniger Gas

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Alarmstufe Rot: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ruft in Deutschland des Gasnotstand aus. Bild: EPA

Robert Habeck befürchtet, dass in naher Zukunft noch weniger Gas aus Russland nach Deutschland fließt. Er warnt vor einem Domino-Effekt für den Markt. Es brauche nun „Maßnahmen zur Geschlossenheit – damit Putin nicht gewinnt“.

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          Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält es für möglich, dass Russland nach dem Wartungsintervall der Gaspipeline Nord Stream 1 gar kein Gas mehr liefert. Auf die entsprechende Frage sagt er laut Vorabmeldung im RTL Nachtjournal: „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, ich befürchte es nicht.“ Das Argument technischer Probleme sei vorgeschoben, es handele sich um eine politische Maßnahme aus Moskau, so Habeck weiter. „Und wer weiß schon, was die nächste politische Maßnahme ist. Also, sorgenfrei bin ich da nicht.“

          Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass sich die Gasrechnungen verdreifachten, sagte Habeck: „Das ist nicht auszuschließen (...) ja, das ist im Bereich des Möglichen.“ Es komme eine Preiswelle auf Deutschland zu, die faktisch nicht mehr abzuwenden sei. Zuvor hatte auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, gesagt, er halte eine Verdreifachung der Verbraucherpreise für möglich. „Wenn man es hochrechnet, kommt es sehr darauf an, wie Sie heizen, wie Ihr Gebäude gebaut ist. Aber es kann zu einer Verdreifachung der bisherigen Gasrechnung kommen“, so Müller am Donnerstag bei RTL/ntv.

          Die Unternehmen müssten die höheren Preise irgendwann an die Kunden weitergeben, damit sie nicht „umkippten“, hatte der grüne Wirtschaftsminister bereits vorher dem ZDF gesagt. Das sei allerdings ein „zweischneidiges, scharfes“ Schwert: „Wenn man nicht aufpasst, bekommen wir ein großes soziales Problem.“ Finanzielle staatliche Anreize fürs Gassparen lehnte der Minister ab: In dieser ernsten gesellschaftspolitischen Situation müsse man sich gegenseitig helfen. „Und wenn da einer sagt, ich mach nur mit, wenn ich 50 Euro kriege, würde ich sagen: Die kriegst du nicht, Alter.“

          Habeck befürchtet „Lehman-Brothers-Effekt im Energiemarkt“

          Habeck warnte in der ARD vor einem sogenannten Domino-Effekt im Energiemarkt und erläuterte seine Befürchtungen zu einer möglichen Rezession. „Das Risiko, dass Energieversorger möglicherweise in eine ökonomische Lage kommen, wo sie nicht mehr Geld am Markt aufnehmen können, um Gas einzukaufen“ sei hoch, so der Wirtschaftsminister. Es müsse deswegen verhindert werden, „dass sie aus dem Markt rausfallen“. Habeck befürchte „eine Art Lehman-Brothers-Effekt im Energiemarkt“, der dann auch die Stadtwerke, die Wirtschafts- und Industrieunternehmen und die Verbraucher betreffe. Er werde dafür Sorge tragen, das zu verhindern.

          Der Wirtschaftsminister kündigte außerdem an, dass es nun „Maßnahmen zur Geschlossenheit“ brauche – „damit Putin nicht gewinnt“. Für ihn selbst sei es eine schmerzhafte Entscheidung gewesen, Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, weil das Gas nun äußerst knapp sei. Aber man müsse sehen, dass auch viel passiere. Er verwies dabei zum Beispiel auf den „rasenden“ Ausbau der Windkraft auf gesetzlichem Wege und die Nachfrage dazu sowie die Gebäudesanierung. „Die Industrie will schneller weg von den fossilen Energien.“

          Gleichzeitig ließ Habeck durchblicken, dass er die reduzierten Lieferungen von russischem Gas auch als Zeichen für wirksame Sanktionen gegen Russland interpretiere. „Es ist richtig, Putin bekommt Geld durch den Verkauf fossiler Energien, aber er kann sich davon immer weniger kaufen, weil der Westen so viele Güter sanktioniert hat. Und weil er sich mit diesem Geld nichts mehr kaufen kann, sagt er: Dann brauche ich das Geld nicht mehr, und ich reduziere das Gas.“

          Bereits am frühen Morgen hatte der grüne Bundeswirtschaftsminister eine neue Alarmstufe für die Verfügbarkeit von Gas in Deutschland ausgerufen. Es ist die zweite von drei Eskalationsstufen eines Notfallplans. Gleichzeitig kündigte er an, die Gaspreise nicht direkt deckeln zu wollen. „Wir wollen den Markt weiter beobachten“, sagte er weiter. Die Bundesregierung mache vorerst vom Preisanpassungsmechanismus nicht Gebrauch, der Anbietern Preissprünge in laufenden Verträgen möglich macht. Es gebe ja bereits Preissteigerungen für Verbraucher. Er verwies darauf, dass der Sommer für eine trügerische Sicherheit sorge, man sich aber auf den Winter vorbereiten müsse. Deutschland habe im vergangenen Jahrzehnt viel versäumt. Die Abhängigkeit von Russland bei Energielieferungen müsse jetzt schrittweise reduziert werden.

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