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Arbeitsmarkt : Gutes Zeugnis für den Mindestlohn

Bislang sind auch in Deutschland Befürchtungen zum Mindestlohn nicht wahr geworden. Bild: dpa

Macht eine Untergrenze für Löhne Arbeitsplätze kaputt? Nein, zeigen amerikanische Ökonomen in einer neuen Untersuchung. Für Deutschland bleibt eine Frage offen.

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          Die Warnungen vor der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland zum Jahresbeginn 2015 waren drastisch. Hunderttausende Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn Arbeitgeber ihren Angestellten 8,50 Euro je Stunde zahlen müssen, warnte unter anderem das Münchener Ifo-Institut. Viele andere Ökonomen waren ähnlicher Ansicht und stellten sich gegen die von den Sozialdemokraten vorangetriebenen Reform.

          Johannes Pennekamp
          Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung.

          Drei Jahre später herrscht in Deutschland Rekordbeschäftigung – selbst Langzeitarbeitslose, die der Mindestlohn gängigen Theorien zufolge am Arbeitsmarkt besonders benachteiligt, profitieren heute von der guten Konjunktur. Und finden häufiger eine neue Stelle.

          Ist der Mindestlohn also gar nicht so schlimm wie vielfach behauptet? Zu genau diesem Ergebnis kommt eine Studie eines vierköpfigen Forscherteams um den Ökonomen Ben Zipperer (Economic Policy Institute), die am zurückliegenden Wochenende in Philadelphia für viel Gesprächsstoff gesorgt hat. Dort hat die Vereinigung der amerikanischen Ökonomen (American Economic Association) gerade ihre jährliche Konferenz abgehalten, an der rund 13.000 Volkswirte aus aller Welt teilgenommen haben.

          Widerspruch zu gängigen Thesen

          Die Forscher untersuchen in ihrer Studie, was passiert, wenn der Mindestlohn erhöht wird. Sie betrachten dafür 138 Erhöhungen im Staat Washington in den Jahren 1979 bis 2016. Anders als in früheren Studien schauten die Ökonomen nicht darauf, wie sich die Arbeitslosenzahlen veränderten, sondern auf die Verteilung der Löhne: Wie viele Angestellte verdienten im Zeitverlauf 8, 9 oder 10 Dollar je Stunde?

          Die zentrale Erkenntnis: Wenn der Mindestlohn beispielsweise von 7,50 Dollar auf rund 9 Dollar je Stunde steigt, verschiebt sich die Lohnverteilung bei den Geringverdienern durch die Reform etwas nach oben. Oberhalb der neuen Mindestlohngrenze beobachteten die Forscher eine Ballung. Oder anders gesagt: Es fielen rechnerisch unterhalb der 9-Dollar-Grenze etwa so viele Jobs weg wie knapp oberhalb der Grenze neu hinzukamen. „Die Zahl der Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich bleiben im wesentlichen unverändert”, schlussfolgern die Autoren.

          Sie widersprechen außerdem der weit verbreiteten Annahme, dass ein höherer Mindestlohn zwangsläufig eine Kettenreaktion auswirkt und auch bei Normalverdienern und Besserverdienern zu Lohnsteigerungen führt – was für Arbeitgeber eine große Mehrbelastung mit sich brächte. Im genannten Beispiel profitierten lediglich Beschäftigte, die weniger als 14 Dollar je Stunde verdienten. Oberhalb dieser Grenze blieb alles beim Alten.

          Ob diese Ergebnisse eins zu eins auf Deutschland zu übertragen sind, ist fraglich. Die Autoren weisen zudem auf die Ausnahme hin, dass in Wirtschaftsbereichen, die starker internationaler Konkurrenz ausgesetzt sind, sehr wohl Arbeitsplätze verloren gehen.

          Dass der Mindestlohn hierzulande bislang kaum sichtbare Spuren hinterlassen hat, begründen einige Fachleute zudem mit der guten Konjunktur, die seit mehreren Jahren für anhaltendes Wirtschaftswachstum sorgt. Wie sich die Lohnuntergrenze in wirtschaftlich schlechteren Zeiten auswirkt, muss sich erst noch zeigen. Die neue Studie gibt jedoch Anlass zu der Hoffnung, dass sich die negativen Folgen in Grenzen halten werden.

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