
Grüne gegen FDP : Es geht um mehr als nur die Autobahn
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Nicht nur der Autobahnbau muss schneller klappen. Bild: dpa
Im Streit um den schnelleren Bau von Infrastruktur verbeißen sich Grüne und FDP zu sehr in die Details. Der Schaden haben andere.
Lange ist es her, aber manch einer kann sich noch daran erinnern, dass die Ampelregierung vor etwas mehr als einem Jahr als selbst ernannte „Fortschrittskoalition“ anfing. Aus dem Voranschreiten des Menschengeschlechts zu immer höheren Entwicklungsstufen wechselte sie nach dem russischen Überfall auf die Ukraine in den Krisenmodus: Erst mal ging es vor allem darum, einen Rückfall in überwunden geglaubte Zustände zu verhindern.
Manche Dinge haben sich trotzdem kaum verändert, das Projekt zum Beispiel, durch schnellere Planungsverfahren ein allzu träge gewordenes Land gehörig auf Trab zu bringen. Als Vorbild dient der Bau von Flüssiggas-Terminals, der freilich in Ermangelung von potentiell protestierenden Anwohnern vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen ist. Prompt streiten sich FDP und Grüne, auf welche weiteren Vorhaben sich das Modell übertragen ließe: nur auf solche, die dem Klimaschutz dienen? Oder auch auf den Neubau von Straßen?
In dem Streit, in den sich die Koalitionspartner verrannt haben, denken jedoch beide Seiten zu kurz. Warum braucht es überhaupt ein Gesetz, das bereits eine erschöpfende Aufzählung aller zu beschleunigenden Projekte enthält? Aus seiner schleswig-holsteinischen Erfahrung berichtet der heutige grüne Bundesminister Robert Habeck stets, dass gestraffte Planungsverfahren die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung gar nicht verschlechtern müssen, sondern ganz im Gegenteil sogar verbessern können: Wenn von Anfang an alle an einem Tisch sitzen, lassen sich Bedenken vielleicht sogar wirkungsvoller in den Prozess einbringen als mit Einsprüchen und Klagen gegen eine bereits festgezurrte Planung, die den Bau teils um viele Jahre verzögert.
Von den Lieblingsprojekten lösen
Wenn das so ist, dann spricht allerdings rein gar nichts dagegen, solche beschleunigten Verfahren für Projekte jeder Art einzuführen, ob es nun um das dringend benötigte Windrad geht oder den erweiterten Schweinestall, den der Bauer für die artgerechte Tierhaltung braucht, um das zweite Gleis für eine Bahnstrecke oder eben auch mal um den Neubau von Straßen.
Wenn es stimmt, dass sich alle relevanten Einwände auch in kürzerer Zeit berücksichtigen lassen, braucht es noch nicht einmal das Rechtskonstrukt des „überragenden öffentlichen Interesses“, um das es jetzt geht – und damit auch keine erschöpfende Aufzählung jener Vorhaben, die in den Genuss einer solchen Beschleunigung kommen sollen.
Die FDP hat insofern recht, als die Geschwindigkeit von Verwaltungsverfahren erst einmal nichts mit der Sinnhaftigkeit von Projekten zu tun hat. Ob eine Straße gebaut werden soll oder nicht, das sollte Parlamenten und Politikern auf den jeweils zuständigen Ebenen überlassen bleiben. Grundfalsch wäre es, ihre Entscheidungen einzuschränken, indem Verfahren bewusst langwierig gehalten werden. Es stimmt zwar: Die Trägheit des deutschen Systems hat manchmal auch Vorteile. Ganz so viele unrentable Provinzflughäfen wie in Spanien wurden in Deutschland beispielsweise nicht gebaut; bis die hiesigen Behörden zu Potte kommen, haben sich die infrastrukturellen Moden schon wieder geändert. Eine solche Form der Verzögerungstaktik, die das Schicksal von Projekten dem Zufall anheimgibt, lässt sich aber schwerlich zum allgemeinen Prinzip erheben.
Umgekehrt stimmt auch das Argument der Grünen, dass der Straßenbau bis auf Weiteres nicht die erste Priorität sein sollte. Dafür ist der Nachholbedarf bei der Schiene zu groß, das Verkehrsnetz vielerorts dicht genug, gerade in Ballungsräumen der Platz viel zu knapp, den auch klimafreundliche Elektroautos benötigen. Hier ist die FDP nicht immer ganz aufrichtig. Und es stimmt auch, dass neue Verkehrswege neuen Verkehr nach sich ziehen, was allerdings auch für die Schiene gilt: Jede Schnellbahntrasse, jedes Billigticket reizt auch zu Fahrten an, die sonst unterblieben wären.
Das alles hat aber mit politischen Entscheidungen zu tun und nicht mit der Dauer von Planungsprozessen. Wenn die Regierung das Land wirklich schneller machen will, müssen sich alle Koalitionspartner von ihrem Fokus auf die jeweils eigenen Lieblingsprojekte lösen.