Sie nerven viele Nutzer im Internet: Zustimmungen und Cookie-Hinweise auf Websites. Großbritannien plant nun deutliche Einschränkungen. Bild: dpa
Großbritannien will die endlosen Cookie-Hinweise und Zustimmungen im Internet weitgehend einschränken und damit erstmals nach dem EU-Austritt einem europäischen Regelwerk eine Absage erteilen. In Brüssel ist man beunruhigt.
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Den Kritikern der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dürfte der britische Kultusminister Oliver Dowden aus der Seele gesprochen haben. Kleine Unternehmen und wohltätige Organisationen seien von den Datenschutzregeln, die auch nach dem Brexit in dem Vereinigten Königreiche gelten, überfordert, hat Dowden in einem Interview mit der britischen Zeitung Daily Telegraph betont: „Wir können von einem kleinen Familienbetrieb nicht dasselbe erwarten wie von einem gigantischen Konzern der Sozialen Medien.“ Dowden kündigte an, den „Wust an unnötiger Bürokratie und abzuhakenden Feldern“ abzuschaffen und die Privatsphäre der Menschen stattdessen mit so wenig Eingriffen wie eben möglich zu schützen. Konkrete Vorschläge will Dowden nächsten Monat vorlegen.
Abschaffen will Dowden auch die „endlosen“ Cookie-Hinweise, die seit einiger Zeit beim Aufruf einer Internetseite „aufploppen“, um die Zustimmung zur Verarbeitung persönlicher Daten einzuholen. Er will nur noch für solche Cookies eine Einverständniserklärung einholen, von denen ein hohes Risiko für den Schutz der Privatsphäre ausgehen kann. All das werde der britische Wirtschaft erlauben, das große Potenzial auszunutzen, das in der richtigen Nutzung der Daten liege.
Brüssel ist nicht begeistert
Ähnliche Forderungen erheben auch einzelne Europaabgeordnete wie CDU-Politiker Axel Voss. Dennoch stieß Dowden in Brüssel auf alles andere als Begeisterung. Schließlich bedeuten die angekündigten Reformen, dass das britische Datenschutzniveau künftig nicht mehr dem der EU entsprechen dürfte, auch wenn Dowden das Gegenteil behauptete.
Das aber ist Voraussetzung dafür, dass der Fluss privater Daten zwischen der EU und Großbritannien auch nach dem Brexit ohne Einschränkungen weitergehen kann. Die EU-Kommission hat dafür erst vor der Sommerpause mit einer sogenannten Äquivalenzentscheidung die Grundlage geschaffen. Ein Sprecher der Kommission warnte denn auch sofort, die Behörde könnte kurzfristig jederzeit die geltende Entscheidung aussetzen, beenden oder anpassen, wenn die britischen Pläne das Datenschutzniveau absenkten.
Als „Klatsche für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen“ bezeichnete der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner die Pläne. Es sei abzusehen gewesen, dass die Briten sich durch lockerere Datenschutzregeln einen Standortvorteil sichern würden. Die Äquivalenzentscheidung hätte nie erteilt werden dürfen, wie es das Europaparlament von Anfang an gefordert habe.
Standards könnten abgesenkt werden
Die Pläne der britischen Regierung treffen auch unabhängig von der DSGVO einen Nerv. Es ist das erste Mal, dass die Briten nach dem endgültigen Austritt aus dem EU-Binnenmarkt europäischen Regeln verwerfen wollen. Die Europäer haben schon in den Verhandlungen über den Post-Brexit-Vertrag, der den Handel zwischen der EU dem Vereinigten Königreich regelt, alles darangesetzt, dass die Briten sich auch nach dem Brexit an die Standards der Europäischen Union halten. Sie treibt die Sorge, dass das Vereinigte Königreich sich ansonsten im Wettbewerb durch die gezielte Absenkung von Standards einen Vorteil verschafft.
Mit der Maximalforderung einer mehr oder weniger automatischen Anpassung der britischen Standards an das europäische Niveau – auch bei neuen Standards – konnten sich die EU nicht durchsetzen. Bestehende Standards unterbieten dürfen die Briten auf Gebieten wie dem Umwelt-, Klima- und Arbeitsschutz allerdings nicht. Letztlich bleibt dabei aber immer Interpretationsspielraum. Der FDP-Europaabgeordnete Körner rief die EU deshalb auf, sich besser auf den Wettbewerb mit den Briten einzustellen und selbst Bürokratie abzubauen.