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Herbizid : Der dramatische Kampf um die Deutungshoheit von Glyphosat

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So sieht es aus, wenn Glyphosat auf dem Feld ausgetragen wird.
So sieht es aus, wenn Glyphosat auf dem Feld ausgetragen wird. : Bild: dpa

Portier wurde rechtlicher Berater zweier amerikanischer Anwaltsgroßkanzleien. Die eine etwa, Weitz & Luxenberg, strebt in den Vereinigten Staaten seit Jahren Sammelklagen gegen Monsanto an. In Zeitungsanzeigen sucht sie nach Krebskranken, die in Kontakt mit Glypohsat waren, beziehungsweise dem darauf basierenden Produkt „Roundup“ von Monsanto. Mit solchen Sammelklagen, die lukrativen Schadensersatz versprechen, ist oder war in den Vereinigten Staaten eine Fülle von Wirtschaftskonzernen konfrontiert, insbesondere aus der Chemie-, Pharma-, Tabak- oder Kosmetikbranche. Weitz & Luxenberg verweist in der Anzeige auf die Studie des IARC, die „wahrscheinliche Krebsgefahr“ attestiert.

„Gesamte Kampagne fußt auf Habgier und Betrug“

Für diesen und einen weiteren Beratervertrag (für die Kanzlei Lundy Lundy Soileau & South) erhielt Christopher Portier, wie aus den Anhörungsprotokollen hervorgeht, rund 160.000 Dollar. „Ich habe keine Ahnung, wie viel das in Summe war, aber vielleicht“, sagte Portier auf diese Summe angesprochen dem Protokoll nach, „ist es eine nennenswerte Summe an Geld.“ Vertraglich garantierte er seinen Auftraggebern Stillschweigen. Währenddessen schrieb Portier offene Briefe an das BfR, den EU-Kommissionspräsidenten, trat in Anhörungen im Deutschen Bundestag auf – dies im Stile eines Anklägers, der mehr Transparenz im Zulassungsprozess einforderte. Doch die blieb er selbst, in eigener Sache, schuldig.

Bekannt wurde dies, weil ein Anhörungsprotokoll öffentlich wurde – Portier musste sich im Zuge amerikanischer Gerichtsprozesse den Fragen der Anwälte stellen. Aufmerksam darauf machte in seinem Blog ein Mann, der als Kommunikationsmanager allerdings selbst auf der Gehaltsliste mancher der von Portier angegriffenen Organisationen stand: David Zaruk. Entsprechend hart, da auch er Partei zu sein scheint, fallen seine Urteile aus: Der Fall Portier zeige, „wie die gesamte Kampagne gegen Glyphosat auf Habgier und Betrug fußte”, meint er, und spricht von „Mafiamethoden“. Wahr ist auch, dass Portier die Studie des IARC nicht allein schrieb.

Wer blickt überhaupt noch durch?

Sein Einfluss ist begrenzt. Zaruk scheint selbst eine gleichsam ideologische Haltung zum Glyphosat zu vertreten – er beschreibt dieses Totalherbizid mit den werblichen Worten, es „schütze und verbessere die Bodengesundheit“. Damit meint er: Da es alle Pflanzen tötet, erspart es dem Bauern den Pflug. Wahr aber ist auch, dass es wenige wissenschaftliche Erkenntnisse gibt über die Wirkung von Mitteln wie Roundup, über die Krebsrisiken für Kinder oder intensive Anwender wie Landwirte in Südamerika – oder die dortige ländliche Bevölkerung, wenn sie der Substanz ungeschützt ausgeliefert ist.

Schon vereinnahmt die Industrie den „Fall Portier“ für ihr Interesse, Glyphosat als bodenschonend und ungefährlich darzustellen. Zunächst ist der Fall Portier nicht mehr als ein Fall Portier. Um einen wirklichen Skandal handelt es sich gleichwohl. Portier verschwieg einen Interessenkonflikt, der den Kern der Anti-Glyphosat-Kampagne berührt, weil sich diese auf das Argument der Krebsgefahren stützt. Am Ende zieht ein Nebel in diesem komplizierten Fall auf, der es selbst für Kenner des Themas fast unmöglich macht, sich ein Urteil zu bilden. Die Fachleute „beider Seiten“ scheinen diskreditiert und auf irgendeine Weise „gekauft“, und es scheint fraglich, wem man noch glauben soll.

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