
Gefahr für den Aufschwung : Südafrika in der Stromkrise
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Südafrika erlebt die schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten. Der staatliche Versorger Eskom schaltet in ausgewählten Ortschaften den Strom ab. Die Stromausfälle drohen dem seit Jahren währenden Wirtschaftsaufschwung ein Ende zu setzen.
Es ist noch nicht lange her, als sich die Südafrikaner über die Nachbarn in Zimbabwe lustig machten. „Was gab es in Zimbabwe, bevor es Kerzen gab?“, lautete einer der Witze. Die Antwort: „Strom.“ Seit einigen Wochen ist den Südafrikanern der Spott vergangen. Das Land, das als Wirtschaftsmotor des afrikanischen Kontinents gilt und 2010 die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten soll, erlebt die schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten. Täglich schaltet der staatliche Versorger Eskom in vorher ausgewählten Ortschaften den Strom ab. Nicht nur der Verkehr, auch das Wirtschaftsleben kommt regelmäßig für mehrere Stunden zum Erliegen.
Die Stromausfälle sind längst mehr als eine lästige Unannehmlichkeit im Alltag. Sie drohen dem seit vier Jahren währenden kräftigen Wirtschaftsaufschwung ein Ende zu setzen. Die Prognosen reichen von einem um 0,5 Prozentpunkte niedrigeren Wachstum bis zu einer langen, schmerzhaften Rezession. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen bedeutet der Elektrizitätsmangel Umsatzeinbußen und Produktivitätsverluste. Jüngst schlossen aber auch die Bergbaukonzerne die größten Minen des Landes mehrere Tage lang, weil Eskom sie nicht ausreichend mit Strom versorgen konnte. Südafrika kämpft derzeit ohnehin um seine Macht auf den Rohstoffmärkten. Bei weiteren Stromausfällen wird das Land gegenüber den Konkurrenten in Australien, Kanada, Russland und anderen afrikanischen Ländern noch weiter ins Hintertreffen geraten.
Ausländische Investoren treten den Rückzug an
Die Krise trifft indes nicht nur die einheimische Wirtschaft. Schon mehren sich die Anzeichen, dass ausländische Investoren den Rückzug antreten. Bislang betrachteten sie Südafrika nicht zuletzt wegen seiner billigen und sicheren Stromversorgung als einen der führenden Schwellenmärkte. Diese Einschätzung kann sich schnell ändern, wenn weiterhin so oft im ganzen Land die Lichter ausgehen. Die offiziellen Erklärungen für die Stromausfälle - nass gewordene Kohlevorräte, überschwemmte Kohlenbergwerke, unvorhergesehene Wartungsarbeiten in den Kraftwerken - verschleiern nur notdürftig die nüchterne Wahrheit: Der staatseigene Monopolist Eskom kann die Nachfrage nicht mehr bedienen.
Und zwar nicht wegen des schlechten Wetters, sondern wegen einer Regierung, die über Jahre hinweg glaubte, sich in der Energiepolitik gegen die Gesetze des Marktes stellen zu können. Jetzt erhält sie die Quittung in Form von Arbeitsplatzverlusten, Inflation und besonderen Härten für die ärmere Bevölkerung. Die wirtschaftliche Blütezeit und die Verkabelung von Millionen zuvor stromloser Haushalte in den Armenvierteln haben die Stromnachfrage in Südafrika kräftig in die Höhe getrieben. Stromsparen hielt bis vor kurzem niemand für nötig. Die Regierung buhlte sogar bewusst um Ansiedlung von Unternehmen mit hohem Energieverbrauch wie Eisenschmelzen.
Es wird damit gerechnet, dass Stromausfälle bis 2013 andauern
Ungeachtet des steigenden Bedarfs lagen die von staatlicher Seite beschlossenen Strompreiserhöhungen stets unter der Inflationsrate. Südafrikas Strompreise gehören heute noch zu den niedrigsten der Welt. Gleichzeitig hat die Regierung den Fehler gemacht, Marktöffnung und Privatisierung zu versprechen, aber nicht zu verwirklichen. In der Erwartung, dass private Unternehmen bald die dringend benötigten Investitionen in Kraftwerke und Infrastruktur übernehmen würden, steckte Eskom selbst kein Geld mehr in neue Projekte. Auf die privaten Energieversorger wartet man in Südafrika heute noch, auf die Investitionen ebenfalls. Die Versäumnisse sind nicht von einem Tag auf den anderen wiedergutzumachen. Eskom rechnet mit Stromausfällen bis 2013. Davon wäre auch die Fußball-Weltmeisterschaft betroffen, von der sich Südafrika enorme wirtschaftliche Impulse erhofft.
Dass ein milliardenschweres Investitionsprogramm und Strompreiserhöhungen langfristig unausweichlich sind, ist unumstritten. Das schnell aufgelegte Rettungsprogramm der Regierung jedoch liefert noch zusätzlich Anlass zur Sorge. In schönster planwirtschaftlicher Manier wird der Strom über sämtliche Branchen hinweg um 10 bis 20 Prozent rationiert. Zusätzlich kündigt die Regierung privaten Kohlelieferanten Sanktionen an, wenn sie Eskom nicht ausreichend beliefern, sondern die Kohle gewinnbringend exportieren. Auch die Herstellung und Nutzung von Produkten mit hohem Stromverbrauch wird künftig von staatlicher Seite geahndet. Weitere Fehlallokationen der knappen Ressource Strom werden die Folge sein. Auch drohen Korruption und Vetternwirtschaft bei der Zuteilung der Stromquoten. Die Privatwirtschaft wird sich das staatliche Diktat nur so lange gefallen lassen, wie es sich rechnet.
Ein rapider Übergang zur Marktwirtschaft freilich fällt ebenfalls schwer. Um die Stromnachfrage wie gewünscht um 15 bis 20 Prozent zu drosseln, müssten die Strompreise um 75 Prozent steigen. Keine Regierung könnte eine solche Entscheidung rechtfertigen, schon gar nicht, wenn ein großer Teil der Bevölkerung wie in Südafrika in Armut lebt. So bleibt den Südafrikanern nur zweierlei: warten und den Rat ihrer Energieministerin befolgen. Die hat ihren Landsleuten angesichts der Stromausfälle geraten, einfach früher ins Bett zu gehen.