Gasabhängigkeit : Alternative zu Russland
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Kanzlerin Merkel will Europas Energieabhängigkeit von Russland verringern. Vizekanzler Gabriel sagt, zu russischem Erdgas gebe es keine vernünftige Alternative. Was gilt denn nun?
Russlands Präsident Putin spaltet nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft und Politik des Landes. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt fest, in der EU gebe es „zum Teil eine sehr hohe Abhängigkeit“ vom russischen Öl und Gas und fordert als eine Reaktion auf die Annexion der Krim, Europa müsse seine Energieabhängigkeit von Russland verringern. Ganz anders sieht das der Vizekanzler. Der Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel sagt, zur Einfuhr von Erdgas aus Russland gebe es „keine vernünftige Alternative“. Was gilt denn nun? Einen Tag später bemühen sich beide, den Widerspruch aufzulösen. Plötzlich wird aus der Energiewende Deutschlands das Herzstück einer strategischen Entscheidung zur Verringerung der Abhängigkeit von Russland. Nur davon war vor drei Jahren keine Rede, als im Schock über das Atomunglück in Fukushima parteiübergreifend der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde.
In Wahrheit ersetzte der Zuwachs an Ökostrom, der mit hohen Subventionen über den stark gestiegenen Strompreis erkauft wurde, lediglich den Stromanteil, den die stillgelegten Atomkraftwerke nicht mehr erzeugen. Die Abhängigkeit von Russland wird nicht geringer, wenn jetzt Eon ein weiteres Kernkraftwerk vom Netz nimmt, weil sich der Betrieb wegen der Steuern auf die Brennstäbe nicht mehr lohnt. Trotz der Energiewende mit Ausgaben von rund 100 Milliarden Euro für Ökostrom ist Deutschland auf russische Energie heute so angewiesen wie gestern.
Falsch liegt Gabriel allerdings, wenn er meint, dazu gäbe es morgen keine Alternative. Offenbar ist dem Energieminister entgangen, dass die Prämisse der deutschen Energiewende (durch steigende Preise für fossile Energie rechne sich Ökostrom wie von selbst) schon lange nicht mehr gilt. Durch ökologisch strittiges Fracking aus Schiefergestein fördern die Vereinigten Staaten so viel Gas und Öl, dass Amerika vom ehemals größten Importeur im nächsten Jahr zum größten Lieferanten der Welt werden dürfte. Das verändert das Spiel, die geostrategischen Folgen sind unabsehbar. Schon sichtbar sind die purzelnden Preise für Öl, Gas und Kohle. Weil es einen Weltmarkt für Flüssiggas gibt, konnte Japan quasi über Nacht alle Atommeiler abschalten, zu hohen Kosten, aber ohne Schaden für die Industrie. Schrittweise könnte sich also auch Europa von Russlands Energie lösen. Hierfür darf Deutschland aber nicht länger seine Energiewende zum Vorbild für Europa erklären.