Gas, Wasserstoff, Strom : Die Türkei bringt sich als Energiebrücke nach Europa ins Gespräch
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Energiemix: Photovoltaik- und Windkraftanlagen in den Bergen nordöstlich von Izmir an der Ägäis Bild: Andreas Mihm
Die Türkei will die erneuerbaren Energien stark ausbauen. Doch ohne Atomenergie werde man nicht von der Kohle und Kohlendioxid wegkommen, erklärt die Regierung.
Während Alparslan Bayraktar in dieser Woche auf Einladung von Robert Habeck auf dem neunten Berliner „Energy Transition Dialogue“ weilte, hatte der türkische Vizeenergieminister Neuigkeiten und ein Angebot für den deutschen Ministerkollegen im Gepäck. Das betraf den nun vorliegenden detaillierten Plan, wie die Türkei bis zum Jahr 2053 ähnlich wie die EU die klimaschädlichen CO2-Emissionen auf „netto Null“ reduzieren will. Das zweite Thema war der Weg dahin. Auf dem will die Türkei sich als Gasbrücke nach Europa etablieren. Einfach wird das nicht. Deshalb mahnt Bayraktar, die Europäer müssten die Türkei dabei stärker als bisher unterstützen.
Erneuerbare Energien und der international als Allheilmittel für die Energiewende gefeierte grüne Wasserstoff spielen beim Plan der Türkei, klimaneutral zu werden, eine herausragende Rolle. Die Kapazitäten von Photovoltaik und Windenergie, die heute etwa 16 Prozent des Stromverbrauchs decken, sollen bis zum Jahr 2035 verdreifacht werden.
„In den kommenden 30 Jahren müssen wir jedes Jahr 5000 Megawatt Solar- und 3000 Megawatt Windkapazität aufbauen, wenn wir das Ziel der Null-Emission 2053 erreichen wollen“, rechnet Bayraktar vor. Gerne würde die Türkei mehr Strom nach Südosteuropa liefern. Doch da stünden die Griechen beim Netzbetreiberverbund ENTSO-E auf der Bremse.
Mehr Erneuerbare braucht die Türkei, wenn sie Lieferant von grünem Wasserstoff werden soll. Im Oktober hatten Habeck und der Energieminister Fatih Dönmez eine Kooperation vereinbart. „Die Türkei ist ein guter Standort für den Export von grünem Wasserstoff in die EU“, sagt ein Beamter in Ankara. Doch mehr als über diese Vision redet der für Energie zuständige Vizeminister Bayraktar vor den nach Ankara eingeladenen Journalisten über klassisches Erdgas und den Traum Ankaras von der großen Gas-Drehscheibe.
Gasleitungen nur zur Hälfte ausgelastet
Die Türkei importiert derzeit ihren gesamten Bedarf von 60 Milliarden Kubikmetern im Jahr aus Russland und Aserbaidschan, ein wenig kommt aus Iran und manches per Schiff als LNG. Noch vor den Wahlen Mitte Mai soll die erste eigene Gasförderung im Schwarzen Meer aufgenommen werden, die später ein Drittel des Eigenverbrauchs decken könnte. Über das mit Bulgarien und Griechenland verbundene Leitungsnetz wird der begehrte Stoff weiter in die EU gepumpt.
Das könnte mehr werden, sagt Bayraktar. Die Pipelines seien nur zur Hälfte ausgelastet mit 16 von 31 Milliarden Kubikmetern. Um die Kapazität zu erhöhen, brauche man keine neuen Leitungen, nur mehr Gas. Aber woher nehmen?
Auf den im Herbst von Russlands Präsident Putin gemachten Vorschlag, mehr russisches Gas zu importieren und eine dritte Pipeline durch das Schwarze Meer zu bauen, kommt Bayraktar von allein erst gar nicht zu sprechen. Auf Nachfrage sagt er: „Bis heute haben wir nicht über den Bau einer dritten Leitung verhandelt.“ Es ist schwer vorstellbar, dass die Europäer, die langfristig ganz ohne Gas auskommen wollen, ausgerechnet in der Türkei mehr russisches Gas kaufen.