Frankfurter Zeitung 18.10.1922 : Notgeld und Geldnot
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Notgeld aus Braunschweig mit Eulenspiegel-Motiv aus dem Jahr 1921 Bild: Picture Alliance
Ohne die Ausgabe von Notgeld drohen Unruhen. Das scheinen viele Behörden im Deutschen Reich nicht zu verstehen. Aus der Frankfurter Zeitung vom 18. Oktober 1922.
Aus Kreisen der kommunalen Verwaltung wird uns aus Berlin geschrieben: „Es ist durchaus richtig, dass die Ausgabe von Notgeld nicht dazu führen darf, die eigene Geldknappheit zu steuern und dass die Reichsfinanzverwaltung eine strenge Kontrolle über die Höhe der ausgegebenen Notgeldbeträge führen und dass die schleunigste Wiedereinziehung und die Einlösung sichergestellt werden muss. Nicht verständlich ist aber, dass seitens der Reichsstellen der ganzen Lage, welche die Ausgabe von Notgeld erzwungen hat, recht wenig Verständnis entgegengebracht wird.
Jedenfalls sind die großen Städte des rheinisch-westfälischen Industriebezirks nur mit Widerstreben und auf Drängen von Bergbau, Industrie und Handel, sowie nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Reichsbankstellen selbst an die Notgeldherstellung herangegangen. Sie ließen sich erst dazu bestimmen, als wiederholt große Werke in Folge der Zahlungsmittelknappheit nicht in der Lage waren, ihre Arbeiter ordnungsgemäß auszulöhnen, so dass bereits Unruhen entstanden.
Demgegenüber war es nicht notwendig, allzu erschwerende Bedingungen an die Notgeldausgabe zu knüpfen. Hierher gehört einmal die Bedingung, dass der Wiedereinziehungstermin, der längstens auf zwei Monate hinausgesetzt werden durfte, auf dem Schein selbst angegeben sein müsse oder wenigstens gleichzeitig mit der Ausgabe öffentlich bekannt gemacht werden müsse. Hierdurch wird die Umlaufsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Auch die Überweisung der Gegenwerte an die den Gemeinden bisher unbekannte Reichskreditgesellschaft m.b.H. ist eine unnötige Erschwerung und stößt bei den Ausgabestellen auf Ablehnung. Es muss genügen, wenn einer Reichskontrollstelle gegenüber der Gegenwert sichergestellt, ja sogar, wenn die Gewähr geleistet wird, dass zum Einlösungstermin den Ausgabestellen die betreffenden Beträge zur Verfügung stehen.
Es kann nicht eingesehen werden, warum diese großen Kapitalien, die gerade im Industriebezirk sehr gut gebraucht werden können, alle nach Berlin fließen sollen. Auch die Reichskreditgesellschaft müsste selbstverständlich diese Beträge nutzbringend anlegen, um die Verzinsung aufbringen zu können.
Sehr viele Städte des Industriebezirks sind beispielsweise gezwungen, die Kartoffel- und Kohleneinkellerung für ihre Einwohner mehr oder weniger selbst in die Hand zu nehmen, wozu sie für ganz kurze Zeit große Kapitalien aufnehmen müssen. Selbst gegen die Finanzierung solcher Geschäfte durch die Notgeldgegenwerte dürften bei den großen Städten, die allein hierfür in Frage kommen, kaum Bedenken bestehen.
Andernfalls sind diese Städte gezwungen, Kapitalien gegen hohe Bankzinsen vorübergehend flüssig zu machen, wodurch entweder die Kartoffelpreise erhöht, oder die Steuerzahler insgesamt belastet werden. (Wenn einmal von dem Prinzip, dass die Notgeldausgabe nicht ein Weg der Kreditbeschaffung sein darf, abgewichen würde, wäre es schwer, eine richtige Grenze zu ziehen. Die Redaktion)
Ganz unverständlich ist das Verhalten mancher anderer Reichsverwaltungen, insbesondere der Reichspostverwaltung, welche die Annahme solchen Notgeldes überhaupt ablehnen oder ebenfalls wieder von „Bedingungen“ abhängig machen. Bei der Notgeldausgabe handelt es sich doch lediglich um eine Unterstützung der Reichsfinanzverwaltung beziehungsweise der Reichsbank durch die Notgeld ausgebenden Stellen. Man sollte meinen, dass diese Aktion dann wenigstens von anderen Reichsstellen unterstützt werden würde. Statt dessen stellt die Postverwaltung ihrerseits den Ausgabestellen die Bedingung, schriftlich anzuerkennen, dass unter anderem die Ausgabestellen sich verpflichten sollen, auch Falschscheine, die auf der Post angenommen werden, ohne weiteres einzulösen.
Dass eine derartige Verpflichtung nicht übernommen werden kann, ergibt sich schon daraus, dass damit jede Vorsicht gegenüber Falschscheinen ausgeschaltet würde, ja der Reiz zu Fälschungen geradezu hervorgerufen würde. Wenn eine solche Garantie der Post unentbehrlich erscheint, müsste sie schon durch die Reichsbank oder die Reichsfinanzverwaltung, in deren Interesse die Notgeldausgabe erfolgt ist, gewährt werden.“