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Frankfurter Flughafen : Flugzeuge im Bauch, Kerosin im Blut

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„Ja zu Fra“ - Mitarbeiter von Fraport, Lufthansa und Condor demonstrieren für den Flughafen

„Ja zu Fra“ - Mitarbeiter von Fraport, Lufthansa und Condor demonstrieren für den Flughafen Bild: Eilmes, Wolfgang

In Frankfurt demonstrieren jetzt auch die Befürworter eines wachsenden Flughafens. Sie wollen der vermeintlich schweigenden Mehrheit ein Gesicht geben.

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          Gegen alles, was stinken, weh tun oder die Hauspreise verderben kann, empört sich der Bürger: Bahnhöfe, Schweineställe, Windräder, Fluglärm. Mit Trillerpfeifen ist er dann im Fernsehen zu sehen, während die Menschen, die nicht seiner Meinung sind oder keiner, ihm zusehen: Pendler, Schweinebauern, Piloten. Diese sehen sich oft als schweigende Mehrheit, während den Hysterikern die Bühne gehöre. Seit Donnerstag schweigen sie in Frankfurt nicht mehr und halten jetzt auch ihre Transparente in die Kameras: „Für den Erhalt der Region Rhein-Main“ steht darauf, oder: „Keine Totenstille über Frankfurt“, als ginge es um Leben und Tod.

          Am Römerberg gibt es kaum ein Durchkommen. Die Polizei zählt 8000 Menschen, sie lassen Gummiflugzeuge und himmelblaue Plakate („Ja zu FRA“) über ihren Köpfen tanzen. So etwas ist selten: In Stuttgart gingen auch mal die Befürworter eines neuen Bahnhofs auf die Straße, aber da waren es weniger als die Gegner. In Frankfurt ist es umgekehrt. Es sind Menschen, deren Arbeitsplätze vom Flughafen abhängen. Sie arbeiten bei Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften, Speditionen oder als Vorstandsvorsitzender bei Eintracht Frankfurt. Der Fußballverein bekommt viel Geld von Fraport, der Betreibergesellschaft des Flughafens. Die Moderatorin begrüßt alle herzlich. „Ich hab, wie meine Freunde sagen, Kerosin im Blut.“

          Die Mitarbeiter des Frankfurter Flughafens erleben seit Wochen Montagsdemonstrationen gegen den Fluglärm, einige Gegner und politische Parteien wollen die neue Landebahn am liebsten schließen. Deswegen organisierten Fraport und die Fluggesellschaften Lufthansa und Condor die Kundgebung am Donnerstag. Die Veranstalter haben einen sechsstelligen Betrag investiert für die Werbekampagne. Viele Menschen sind gekommen, die „schweigende“ Mehrheit ist es nicht. Banker, Lehrer und Supermarktkassierer haben offenbar nicht das Gefühl, durch Nachtflugverbote arbeitslos zu werden.

          „Wir sind alle freiwillig hier, und ich bin’s auch“

          Unter den Besuchern der Kundgebung ist das anders. Auf der Bühne steht ein Redner-Aufgebot wie ein Männerchor: Verbandsfunktionäre, Vorstände mit grauen Scheiteln, Betriebsratsvorsitzende, Piloten, Arbeiter. Ein langjähriger Mitarbeiter der Lufthansa sagt: „Ich glaube, wenn man sich den Platz ansieht, wir sind alle freiwillig hier, und ich bin’s auch.“ Die Kritiker hatten zuvor behauptet, die Besucher seien von ihren Arbeitgebern abgeordnete Klatschkommandos, so ähnlich wie im Stalinismus. Niemand habe frei bekommen für die Demonstration, sagt der Sprecher von Fraport genervt, die Veranstaltung wurzle in dem Wunsch der Belegschaft, Flagge zu zeigen. Viele Mitarbeiter erlebten sich als machtlos und ihrer Stimme beraubt, wenn sie in den Zeitungen immer nur die Gegner sähen, die von schlaflosen Nächten und verstörten Kindern berichten. So stehen sich hier, anders als bei mancher Demonstration, nicht weltanschauliche Gruppen, sondern bürgerliche Parteien gegenüber: Die einen leben vom Fluglärm, den anderen verdirbt er den Wert ihrer Häuser.

          Das Herz wird zum Leitmotiv der Reden: „Wir wollen das Herz Frankfurts, das Herz von Deutschland weiter stärken“, sagt der Geschäftsführer von Condor, Ralf Teckentrup, „ohne Herzrhythmusstörungen“. Auch Christoph Franz, der Vorstandsvorsitzende von Lufthansa, bleibt im Bild und sagt, in Frankfurt schlage „das logistische Herz ganz Europas“, ein anderer Redner gibt sich zuversichtlich, „dass dieses Herz auch in der Zukunft weiterschlägt und auch in der Nacht nicht zum Stillstand gebracht wird“. Das Publikum klatscht und rasselt. Die Reden kreisen um Wohlstand, Fleiß und Arbeit. Stefan Schulte, der Chef von Fraport, trägt einen Arbeitsanzug in Neongelb und sagt, er sehe „die ganz große Mehrheit“ auf Seiten des Flughafens, die eigene Seite als sachlich, während die andere emotionalisiere. Informieren statt emotionalisieren will Lufthansa, das Unternehmen hat die Kampagne mit einer PR-Agentur geplant. Aber ganz so ist es nicht, die Redner emotionalisieren fast nur: Der Mann von der Luftfahrtvereinigung spricht von der „Angst, was passiert, wenn sich die Ausbaugegner durchsetzen“. Es gehe um „die berufliche Zukunft unserer Kinder“, sagt ein anderer Redner. Nun werden also die Kinder vorgeschickt - genau so, wie es die Gegner tun, wenn sie von den Folgen des Lärms berichten.

          Schnell weiten sich die Argumente von ökonomischen auf nahezu alle Bereiche des Lebens aus: Gunnar Wöbke vom Basketballverein Skyliners sagt, der Sport in Frankfurt könne ohne seinen Förderer Fraport kaum zurechtkommen. Ein Pilot sagt, so ein Flughafen unterstütze „auch das Zusammenbringen der Kulturen“. Der Entwicklungshelfer von „Luftfahrt ohne Grenzen“ rechnet vor: „Wir haben ungefähr einen Wert von 22 Millionen Euro in die Welt hinausgetragen“, die Todesrate armer Kinder in Haiti sei durch Hilfslieferungen von Frankfurt aus von 18 auf 0,08 Prozent zurückgegangen - er erhält lauten Applaus. Schließlich spricht ein Arbeiter der Fraport, der seit 1980 selbst in der Einflugschneise wohne: „Die Lebensphilosophie meiner Familie lautet: Solange die Flieger am Himmel sind, haben wir Arbeit und Brot.“

          Es entsteht der Eindruck, die Gegner beabsichtigten, den Frankfurter Flughafen zu schließen. Das aber will niemand. Dass hier von Brot, Zukunft und Herzrhythmusstörungen gesprochen wird, ärgert die wenigen Flughafengegner, die am Rand stehen und von einer „Konfrontation“ sprechen: Es gehe darum, dass nicht immer mehr und mehr geflogen werde. Einer schaut spöttisch: „Die sind doch alle gekauft worden, mehr oder weniger.“

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