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Feuer an ICE-Strecke : Ist die Bahn ein Brandrisiko?

Rauch steigt aus den Dachstühlen brennender Häusern an der Bahnstrecke in Siegburg . Bild: dpa

Der Großbrand in Siegburg wirft viele Fragen auf. Nicht nur die Brandursache muss geklärt werden, auch das „Vegetationsmanagement“ der Bahn gerät in den Fokus.

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          Einen Tag nach dem Feuer an der ICE-Strecke Köln–Frankfurt ist das Ausmaß der Zerstörung deutlich sichtbar. Verkohlte Dachstühle, Garagen in Trümmern, ausgebrannte Autos. Während die Schnellzüge wieder fahren dürfen, suchen Fachleute nach dem Grund für das Feuer. Brandermittler haben ihre Arbeit aufgenommen. Dabei soll jedes einzelne Haus untersucht werden.

          Jessica von Blazekovic
          Redakteurin in der Wirtschaft.

          „Der Auslöser des Brandes ist völlig offen, Spekulationen sind verfrüht“, sagte eine Bahn-Sprecherin zu FAZ.NET. Ein Sprecher der Stadt Siegburg hatte zunächst gesagt, vermutlich sei der Funkenflug eines Zuges Auslöser gewesen, wenig später aber ergänzt, das Feuer könne auch andere Ursachen haben.

          Doch nicht nur die Brandursache gibt Rätsel auf. Auch ist unklar, wie aus dem Feuer an den Gleisen ein derartiger Großbrand werden konnte. Denn die Bahn versucht schon seit Anfang des Jahres, durch ein intensiviertes Vegetationsmanagement Störungen durch die Flora an den Bahnstrecken einzudämmen. Im Januar 2018 stellte die Bahn ihren „Aktionsplan Vegetation“ vor – eine Reaktion auf mehrere schwere Stürme im Herbst 2017 und in den ersten Wochen dieses Jahres. Damals hatten Extremwetterlagen zu Schäden an Gleisen und Anlagen in Millionenhöhe geführt und Zugausfälle und Verspätungen ausgelöst. Im Aktionsplan stehen jedoch lediglich Schritte für eine „sturmsichere“ Bahn. Die Gefahr von Böschungsbränden kommt darin nicht vor, obgleich sie kein seltenes Phänomen sind. 

          Pro Bahn zweifelt an Funken-Theorie

          Eine Sprecherin der Bahn bestätigte, dass es „trotz kontinuierlichem Rückschnitt und regelmäßiger Böschungspflege in diesem Jahr in unmittelbarer Nähe von Gleisen aufgrund der lang anhaltenden Hitzeperiode und der damit verbundenen extremen Trockenheit im Vergleich zu den Vorjahren zu Bränden in Gleisnähe kommt, die den Zugverkehr beeinträchtigen“. Die Bahn sei eine von vielen Betroffenen der aktuellen Hitzewelle. Die Brände seien bislang aber ohne größere Auswirkungen auf die Fahrgäste geblieben.

          Laut Karl-Peter Naumann, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn, gehören Böschungsbrände an Bahnstrecken eigentlich der Vergangenheit an. Als die Züge noch von Dampflokomotiven durch das Land gezogen wurden, sei Brandschutz ein wichtiges Thema gewesen. Damals habe man mithilfe von Brandschutzstreifen versucht, die Vegetation vor abfallender Glut zu schützen. „Die Zeiten sind aber vorbei“, sagte Naumann zu FAZ.NET. Dennoch könnten in trockenen Sommern vermehrt Böschungsbrände auftreten, in der Regel ausgelöst von Güterzügen, bei denen es wegen der eingesetzten Klotzbremsen öfter zu einem Funkenflug kommt. „Man kann aber nicht ausschließen, dass auch bei elektrischen Bremsen mal Funken entstehen“, sagte Naumann. ICEs verfügen in der Regel über elektrische Bremsen.

          Christian Schindler, Leiter des Instituts für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme an der RWTH Aachen, bezweifelt jedoch, dass der Brand bei Siegburg durch vom Zug abfliegende Funken ausgelöst wurde. Zu einem Funkenflug könne es laut Schindler etwa kommen, wenn ein Zug sehr scharf bremsen müsse – also in einer Notsituation – oder in einer äußerst engen Kurve. Eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, wie die am Unglücksort, verlaufe aber in der Regel gradlinig, sagte der Fahrzeugtechniker am Mittwoch.

          Angekohlte Bäume werden entfernt

          Unabhängig von der Brandursache sieht Naumann angesichts der Klimaveränderungen Handlungsbedarf: „Sollte es in Zukunft häufiger zu solch starken Trockenperioden kommen, muss man über die Wiedereinführung von Brandschutzstreifen nachdenken.“ In der aktuellen Situation müsse zunächst die Ursache genau erforscht und anschließend gegebenenfalls gemeinsam mit Politik und Umweltverbänden nach Lösungen gesucht werden. „Bislang reagieren die Fahrgäste aber verständnisvoll auf Verzögerungen durch Brände, die schnell von der Feuerwehr gelöscht werden“, sagte Naumann.

          Bei dem Brand am Dienstag waren nach Angaben der Stadt Siegburg 32 Menschen verletzt und mehrere Gebäude in der Nähe der Bahnstrecke zerstört worden. 15 Bewohner konnten nicht zurück in ihre Häuser, sie leben nun zunächst bei Freunden und Verwandten oder in Ersatzquartieren. Bei der Stadt meldeten sich viele Menschen, um ihnen mit Sachspenden zu helfen. „Ausgebrannte können eigentlich alles gebrauchen“, sagte ein Sprecher. Die Hilfsbereitschaft sei riesig. Es gibt ein Bürgertelefon, auch ein Spendenkonto wurde eingerichtet. Auch die Bahn will helfen: „Da man vor Ort am besten weiß, wo jetzt Unterstützung am meisten hilft, beteiligen wir uns selbstverständlich als gute Nachbarn an dem Spendenaufruf und stellen unbürokratisch 500.000 Euro zur Verfügung“, sagte die Bahnsprecherin.

          Am Mittwoch wurde an der Strecke aufgeräumt und repariert. Auf rund 350 Metern Länge sei die Oberleitung beschädigt, erklärte die Bahn. Auch an Kabeln müssten Schäden beseitigt werden. Vom Feuer angekohlte und daher wackelige Bäume sollten vorsorglich entfernt werden. Während der Bereich für den Fernverkehr wieder freigegeben werden konnte, blieb die parallel verlaufende Nahverkehrsstrecke weiterhin gesperrt. Die Reparaturarbeiten zur Beseitigung der Schäden sollen bis voraussichtlich Donnerstagnacht abgeschlossen sein. Damit könne nach aktuellem Stand auch der Nahverkehr ab Freitag zum Betriebsbeginn wieder aufgenommen werden, teilte die Bahn mit. 

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