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Fahrpreiserhöhung : Der öffentliche Nahverkehr kostet immer mehr

  • -Aktualisiert am

Jedes Jahr ein bisschen teurer Bild: dpa

Die Verkehrsbetriebe erhöhen wieder die Preise und ein Ende ist nicht in Sicht. Als Begründung führen sie vor allem den teuren Ökostrom an – zu Recht?

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          Die Energiewende macht das Fahren mit Bus und Bahn teurer. Bald müssen Bürger wesentlich mehr für ihre Fahrkarten zahlen. Im Ruhrgebiet, in Berlin, in Frankfurt, Nürnberg und Hannover haben die Verkehrsbetriebe schon Steigerungen um 3 Prozent und mehr angekündigt. So erhöht der Rhein-Main-Verkehrsverbund RMV seine Preise von Januar an im Durchschnitt um 3,45 Prozent und der Verkehrsverbund Rhein Ruhr VRR um 3,8 Prozent. Weitere Betriebe werden wohl folgen.

          Jan Hauser
          Redakteur in der Wirtschaft, verantwortlich für Immobilien.

          „Wir sind noch im unteren Mittelfeld“, sagt ein RMV-Sprecher. Das Unternehmen begründet die steigenden Preise neben den höheren Ausgaben für Infrastruktur und Personal vor allem mit steigenden Ökostromkosten durch das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Der RMV mit 709 Millionen Fahrten im Jahr rechnet dadurch mit höheren Energieausgaben von etwa 4,5 Millionen Euro. Der VRR mit 1,1 Milliarden Fahrten im Jahr erwartet, dass seine Ökostromkosten um 5 Millionen Euro steigen.

          Das trifft genauso andere Verkehrsbetriebe. Nach Informationen dieser Zeitung erwartet die Branche, dass nahezu jeder kommunale Verkehrsbetrieb wegen der höheren Energiekosten seine Preise erhöhen wird. Wie viel mehr der Verbraucher für die Bus- und Bahnfahrt zahlen muss, hängt davon ab, wie stark der Betrieb in moderne Busse und Bahnen investiert hat. Je weniger Energie der Fuhrpark benötigt, desto geringer werden die Preise steigen.

          Was die EEG-Umlage den Schienenverkehr kostet

          Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB plant eine Erhöhung um etwa 3 Prozent, die im Oktober beschlossen werden soll. Der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg VGN will die Fahrpreise im Januar um 2,99 Prozent, der Großraum-Verkehr Hannover GVH um 3,25 Prozent und der Nordhessische Verkehrsverbund um 3,3 Prozent anheben. Schon 2013 stiegen die Fahrpreise durchschnittlich um 3,3 Prozent. Auch das begründeten die Betriebe mit höheren Energieausgaben.

          „Die Nahverkehrspreise sind stark politisch beeinflusst und weniger an den tatsächlichen Kosten orientiert als Preise auf funktionierenden Märkten“, gibt Alexander Steinmetz, Volkswirt der Monopolkommission, zu bedenken. „Daher ist es denkbar, dass Kommunen die Preise weniger stark oder gar nicht erhöhen.“ Das Defizit müssten profitable Energie- oder Wasserbetriebe ausgleichen. Andererseits können die Städte steigende Stromkosten auch zum Anlass nehmen, um Finanzierungsdefizite abzubauen: „Die Preise werden mehr erhöht, als dies durch steigende Energiepreise gerechtfertigt wäre.“

          Die EEG-Umlage steigt seit langem und beträgt nun 6,24 Cent je Kilowattstunde. Jeder Bürger zahlt damit im Durchschnitt mehr als 200 Euro im Jahr. Die Reform der deutschen Ökostromförderung soll den Anstieg der EEG-Umlage und die Ausgaben der Bürger bremsen. Unternehmen sollen dafür mehr zahlen. Für den Schienenverkehr schätzt die Branche die Mehrkosten auf 70 Millionen Euro im Jahr. Ohne die deutsche Ökostromförderung müsste der Stromkunde keine Umlage zahlen, dann könnten Unternehmen die Ersparnis an die Kunden weitergeben und die Preise senken.

          München und Stuttgart haben den höchsten Kostendeckungsgrad

          Im Rhein-Main-Verkehrsverbund sind bisher fast alle Schienenverkehrsunternehmen von der EEG-Umlage befreit. Künftig geben die Verkehrsunternehmen mit hohem Stromverbrauch mehr aus: Die volle Umlage müssen sie dann auf 20 Prozent statt bisher 10 Prozent des verbrauchten Stroms zahlen. Zudem steigt die reduzierte Umlage auf den restlichen verbrauchten Strom um ein Fünftel von 0,05 Cent auf 0,06 Cent.

          Von den Mehrkosten von etwa 4,5 Millionen Euro für den RMV liegen mehr als 2 Millionen Euro bei den kommunalen Verkehrsbetrieben. Dies trifft besonders Frankfurt mit seinen U-Bahnen und Straßenbahnen sowie die Straßenbahn in Darmstadt; beide Verkehrsmittel zählen zu den größeren Stromverbrauchern. Hier steigen die Fahrpreise für Einzelfahrten sogar um mehr als 5 Prozent. Rund ein Drittel der Preiserhöhungen sind Infrastrukturkosten für die Nutzung von Bahnhöfen und Strecken an die Deutsche Bahn, die jährlich um 2,3 Prozent steigen. Auch die Personalausgaben erhöhen sich, weil unter anderem die Busfahrer 3,7 Prozent mehr Geld bekommen.

          Allerdings bezuschusst der Staat den öffentlichen Nahverkehr immens. Nürnberg etwa gibt jedes Jahr rund 65 Millionen Euro dazu. Im Verkehrsverbund des Großraums Nürnberg mit fast 300 Millionen Fahrten im Jahr tragen die Fahrgeldeinnahmen nur 43 Prozent der tatsächlichen Kosten. Die Verkehrsbetriebe sind seit langem defizitär. Der RMV kommt auf einen Kostendeckungsgrad von 56 Prozent.

          Die kommunalen Verkehrsbetriebe machten 2012 nach Berechnungen der Monopolkommission zusammen etwa 12 Milliarden Euro Verlust und erreichten durchschnittlich eine negative Eigenkapitalrendite in der Größenordnung von minus 20 Prozent. Den Nahverkehr finanzieren oft andere kommunale Unternehmen und die Städte mit. Durch die Schuldenbremse steigt der Spardruck auf die Kommunen.

          Im Ruhrgebiet decken die Fahrgeldeinnahmen von 1,1 Milliarden Euro mehr als die Hälfte der Kosten. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr kam 2012 auf einen Fehlbetrag von 4,6 Millionen Euro. So spielt eben auch die Wirtschaftlichkeit eine Rolle, wenn es darum geht, die Fahrpreise mal wieder anzuheben. Für den Verbund um Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Essen und Wuppertal bedeuten höhere Personalkosten durch den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst und die zusätzliche EEG-Last höhere Ausgaben von 15 Millionen Euro. „Daneben gilt für uns weiterhin der politische Auftrag der Kreise und Städte, die Nutzerfinanzierung des öffentlichen Verkehrs zu stärken und so die öffentlichen Haushalte zu entlasten“, sagt José Luis Castrillo, Vorstand des Verkehrsverbunds Rhein Ruhr. Der Kostendeckungsgrad soll daher von 2013 bis 2015 um zwei Prozentpunkte ansteigen. Fest steht: Der Druck auf die Verkehrsbetriebe wächst. Damit die Fahrpreise den Kosten entsprechen, müssten die Verkehrsbetriebe theoretisch etwa 100 Prozent mehr verlangen.

          Korrektur: In einer ersten Fassung des Berichts erklärten wir, dass der RMV mit einem Deckungsbeitrag von 56 Prozent in Deutschland an der Spitze liegt. Der Hamburger Verkehrsverbund meldet für das vergangene Jahr allerdings einen von mehr als 70 Prozent.

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