Lagarde in Sintra : EZB könnte Geldpolitik verschärfen
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Auch sie muss die EZB durch Krisenzeiten steuern: Christine Lagarde Bild: EPA
Christine Lagarde richtet sich auf eine Verschlechterung des Inflationsumfelds ein. Eine Überhitzung der Euro-Wirtschaft ist nicht zu erkennen, aber die Löhne dürften mittelfristig steigen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat eine deutliche Verschärfung der Geldpolitik für den Fall weiter deutlich zunehmender Inflationsgefahren in Aussicht gestellt. „Die Ausdauer ist das Geheimnis aller Triumphe“, sagte Lagarde auf dem EZB-Forum im portugiesischen Sintra, den französischen Schriftsteller Victor Hugo zitierend. „Wir werden so weit gehen, wie es notwendig ist.“
Lagarde bekräftigte die jüngsten Entscheidungen des Zentralbankrats, der Ende Juni den Aufbau der Wertpapierbestände durch Anleihekäufe einstellen und auf seiner Sitzung im Juli die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte erhöhen will. Für die Sitzung des Zentralbankrats im September ist eine Leitzinserhöhung um mindestens 0,25 Prozentpunkte vorgesehen.
Neues Instrument
Auch danach dürften die Leitzinsen, abhängig von der Entwicklung der Lage, weiter steigen. Wegen der hohen Unsicherheit über die Zukunft sei es aber nicht möglich, einen präzisen Pfad für die Zinsentwicklung zu nennen, sagte die Präsidentin.
Die EZB sieht die aktuelle Inflation überwiegend durch externe Schocks beeinflusst, die mit Preiserhöhungen für Rohstoffe, Nahrungsmittel und Industriegüter einhergehen. Eine wachsende Bedeutung für die Geldpolitik komme jedoch der Erholung der binnenwirtschaftlichen Nachfrage nach dem Ende der Pandemie zu, was sich unter anderem an steigenden Preisen für Dienstleistungen zeige.
Eine Überhitzung der Euro-Wirtschaft sei zwar nicht zu erkennen, sagte Lagarde, doch seien in den kommenden Jahren spürbare Lohnzuwächse zu erwarten. Auch stehe zu befürchten, dass die Beeinträchtigungen des gesamtwirtschaftlichen Angebots durch den Krieg und durch gestörte Lieferketten länger dauerten als erwartet.
Lagarde bekräftigte die Bereitschaft der EZB, mithilfe eines neuen Instruments eine störungsfreie Wirkung der Geldpolitik in allen Euro-Mitgliedsländern zu gewährleisten. Hierzu sei die EZB bereit, gegen wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Vergrößerungen der Renditeabstände von Staatsanleihen in der Eurozone vorzugehen.
Wie dieses Instrument aussehen könnte, ist Gegenstand von Spekulationen in Sintra. Die Antwort ist nicht offensichtlich, denn das neue Instrument darf die Inflationsbekämpfung nicht konterkarieren; zudem muss es mit dem Mandat der EZB vereinbar sein, das keine Staatsfinanzierung durch die Geldpolitik gestattet. Eine Kontrolle der EZB über die Renditeabstände der Staatsanleihen gilt bei manchen Experten als eine Voraussetzung einer Verschärfung der Geldpolitik, da sehr starke Anstiege von Staatsanleiherenditen an den Finanzmärkten Zweifel an der Solidität hochverschuldeter Staaten wecken könnten.